Mitte Januar verabschiedete der Bundestag eine Novelle des Staatsangehörigkeitsrechts, nach der die Einbürgerung von Ausländern in Deutschland erleichtert und künftig die Doppelstaatsangehörigkeit generell hingenommen werden soll. So soll bei besonderen Integrationsleistungen bereits nach drei Jahren die Möglichkeit bestehen, den deutschen Pass zu erlangen.
Allerdings sollen die Behörden künftig auch genauer hinschauen, wer eingebürgert wird. Verfassungsfeinde, Antisemiten und Holocaustleugner sollen keinen Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit haben. So wurde im Paragrafen 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes ein neues Kriterium eingeführt. Demzufolge muss sich ein Neubürger ausdrücklich »zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens, sowie zum friedlichen Zusammenleben der Völker und dem Verbot der Führung eines Angriffskrieges« bekennen.
Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober
Zur Begründung wird auch auf die Terrorangriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und die antisemitischen und israelfeindlichen Kundgebungen und Ausschreitungen in Deutschland verwiesen. Es bestehe, so der Bundestag, die »gesetzgeberische Notwendigkeit«, Antragsstellern für eine Einbürgerung »deutlich vor Augen zu führen«, dass antisemitische Handlungen oder Terror nicht mit einer Einbürgerung zu vereinbaren seien.
Die oppositionelle CDU/CSU-Fraktion wollte eine noch weitergehende Klausel im Gesetz verankern. Sie forderte, eine Einbürgerung ausdrücklich auch von einem Bekenntnis zum Existenzrecht Israels abhängig zu machen. Dem waren zumindest Teile der Koalition nicht grundsätzlich abgeneigt. Allerdings findet sich im neuen Gesetz kein expliziter Hinweis darauf. Immerhin, die FDP argumentierte in den Beratungen, der »Schutz jüdischen Lebens« umfasse ja auch das Bekenntnis zum Existenzrecht des jüdischen Staates.
Aber war das wirklich so? Der niedersächsische CDU-Abgeordnete Mathias Middelberg wollte es genauer wissen. Er stellte eine Anfrage an die Bundesregierung, die vergangene Woche beantwortet wurde. Ob sich das Bekenntnis nur auf jüdisches Leben in Deutschland beziehe oder auch darüber hinaus, fragte Middelberg, und warum die Bundesregierung ein explizites Bekenntnis zum Existenzrecht Israels im Gesetz für überflüssig halte. Außerdem wollte er wissen, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung denn plane, um zu prüfen, ob das Bekenntnis zum Schutz jüdischen Lebens denn auch der Wahrheit entspräche.
Die Antwort aus dem Bundesinnenministerium (BMI) klang recht unverbindlich. »Ein wirksames Bekenntnis gemäß Paragraf 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a StAG setzt, wie auch das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung gemäß Paragraf 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAG, voraus, dass es inhaltlich richtig ist, d.h. von einer inneren Überzeugung getragen sein muss. Rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass die abgegebenen Bekenntnisse inhaltlich unrichtig sind, ist die Einbürgerung ausgeschlossen.«
Das Bundesinnenministerium ließ viele Fragen zum Israel-Bekenntnis unbeantwortet.
Falls ein Antragsteller für die Staatsangehörigkeit das Existenzrecht Israels infrage stelle, »können die Staatsangehörigkeitsbehörden im Einbürgerungsverfahren hinterfragen, ob solchen Äußerungen eine antisemitische Einstellung zugrunde liegt«. Das Ministerium weiter: »Ein wirksames Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur besonderen historischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland und eine antisemitische Einstellung schließen einander aus.«
So weit, so gut. Doch es handelt sich laut BMI-Antwort um eine »Kann-Bestimmung« und keine Verpflichtung, Bewerbern, die sich mit Israels Existenz nicht abfinden können, den deutschen Pass automatisch zu verwehren. Weitere Fragen bleiben unbeantwortet: Wie aktiv müssen die Behörden künftig prüfen, ob antisemitische Einstellungen vorliegen? Und ist das neue Recht womöglich nur ein zahnloser Tiger, weil Bewerber gar nicht erst überprüft und befragt werden?
Mathias Middelberg kritisierte die Bundesregierung jedenfalls scharf. Die Antwort zeige, dass die Novelle das Problem der Einbürgerung von Antisemiten und Israelhassern nur scheinbar gelöst habe. Der Jüdischen Allgemeinen sagte der CDU-Politiker: »Auf meine ausdrückliche Frage, warum auf ein Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zum Existenzrecht Israels verzichtet wird, gibt das Innenministerium keine Antwort. Darüber hinaus legt die Antwort der Bundesregierung nahe, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden bei der Aufdeckung antisemitischer Haltungen keinerlei Aktivität entfalten sollen.«
Bekenntnis zur historischen Verantwortung Deutschlands
Das, so Middelberg, widerspräche der ausdrücklichen Aufforderung des Innenausschusses des Bundestages, wonach eine Einbürgerung ausgeschlossen sein müsse, wenn das Bekenntnis zur historischen Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens nicht von einer »inneren Überzeugung« getragen sei. »Mit diesen Instrumenten und dieser Haltung ist die Verhinderung antisemitisch eingestellter Einbürgerungsbewerber ganz sicher nicht zu gewährleisten«, folgert der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende.
Vielleicht ist das letzte Wort in dieser Sache aber noch nicht gesprochen. Das Innenministerium teilte nämlich auch mit, man beabsichtige, »im zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Gesetzes« neue Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht zu erarbeiten. Diese müssten einer »sachgerechten und bundeseinheitlichen Auslegung und Verfahrensweise bei der Anwendung der vorgenommenen Rechtsänderungen Rechnung tragen«.