Frau Ministerin, was bedeutet der vom Kabinett am Mittwoch verabschiedete Gesetzentwurf zur Regelung der Beschneidung in Hinblick auf die Rechtssicherheit?
Der Kabinettsbeschluss ist ein wichtiger Schritt, um die Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Die Bundesregierung hat schnell und entschlossen ein wichtiges Signal gesetzt, damit Beschneidungen auch künftig in Deutschland möglich sind. Jetzt besteht die große Chance, im Bundestag dafür eine breite Mehrheit zu bekommen. Ich werbe um Unterstützung in allen Fraktionen.
Halten Sie es für wahrscheinlich, dass die Beschneidungsfrage dennoch am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landet?
Im Mittelpunkt sollte die breite gesellschaftliche Unterstützung stehen. Der Rechtfertigungsdruck auf Bürger, die in unserem Land Beschneidungen aus religiösen Gründen befürworten, muss aufhören. Die Regelung ist ausgewogen und berücksichtigt alle Interessen. Dem Gesundheitsschutz des Kindes wird durch die Bindung an die Regeln der ärztlichen Kunst, die davon umfasste angemessene Schmerzbehandlung und das Erfordernis umfassender Aufklärung Rechnung getragen.
Welches waren die strittigen Punkte?
Die Regelung zwingt die Gerichte nicht zu einer Erforschung religiös motivierter Beschneidung – das haben manche anders gesehen. Andere plädierten für eine Regelung im Strafrecht. Wir sind einen anderen Weg gegangen: Die systematische Einordnung in das Personensorgerecht stellt klar, dass eine Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen Jungen im Rahmen des elterlichen Sorgerechts unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.
Welchen Anteil hatten die Verbände und jüdischen Vertreter an dem Entwurf?
Nur durch die intensiven Gespräche mit Vertretern der Religionsgemeinschaften und allen zivilgesellschaftlichen Vertretern kam diese Regelung zustande. Es ist nicht Aufgabe der Regierung, den Religionsgemeinschaften ihre Religionsausübung vorzuschreiben.
Warum setzt der Entwurf nicht bei der Religionsfreiheit an?
Es geht auch um die Legitimität religiös motivierter Lebensweisen in unserer heutigen Gesellschaft. In einer pluralistischen Gesellschaft darf nicht nach religiösen Motiven geforscht werden.
Noch im Juli hatten Sie die Absicht kritisiert, die gesetzliche Absicherung ritueller Beschneidungen schnell umsetzen zu wollen. Ging es jetzt nicht doch recht zügig?
Zu Beginn habe ich gesagt: Dieses Urteil des Landgerichts Köln wird keinen Bestand haben. Nachdem aber immer mehr Ärzte keine Beschneidungen mehr vornehmen wollten, war die Rechtsunsicherheit da. Das ist dann ein Fall für den Gesetzgeber. Dass wir in Deutschland nach der Diskussion im Sommer eine Regelung finden mussten, ist völlig unstrittig. Und wir haben uns bei unseren intensiven Beratungen die nötige Zeit genommen.
Die Fragen an die Bundesjustizministerin stellte Detlef David Kauschke.