Von einem »wahrlich historischen Schritt« sprach Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Ende vergangener Woche im Bundestag. In erster Lesung beriet das Parlament einen Ende 2019 unterzeichneten Vertrag zwischen der Bundesrepublik und dem Zentralrat der Juden in Deutschland zur Einführung einer jüdischen Seelsorge bei der Bundeswehr.
Noch in diesem Jahr soll demnach ein Militärrabbinat in Berlin eingerichtet werden – mit 48 hauptamtlichen Mitarbeitern. Knapp 4,7 Millionen Euro sind für die neue Behörde im Bundeshaushalt vorgesehen. Die jüdischen Seelsorger sollen noch 2020 ihre Arbeit aufnehmen. In der Erfüllung ihres Dienstes werden sie, wie auch ihre christlichen Kollegen, von den Weisungen anderer staatlicher Würdenträger unabhängig sein.
STRUKTUR An der Spitze der neuen Struktur wird ein Militärbundesrabbiner stehen; er wird vom Zentralrat der Juden bestimmt. Auch der Dienststellenleiter des neuen Bundesamtes soll jüdisch sein. Aufgabe der jüdischen Seelsorger wird laut Vertrag »die Lehre der Halacha (jüdisches Recht), die Entscheidung religiöser Fragen, die Sicherstellung der Einhaltung der Mizwot (jüdische Gebote) und die Seelsorge im In- und Ausland sowie im Rahmen einer Begleitung von Auslandseinsätzen und Übungen« sein.
Kramp-Karrenbauer formulierte es so: »Sie werden Trost spenden, Kraft geben, Wege aufzeigen, Verständnis schaffen, zum Beispiel mit gemeinsamen Gebeten und Gottesdiensten oder im vertrauten und vertraulichen Gespräch, aber auch im Rahmen von Aus- und Fortbildung des Lebenskundlichen Unterrichts.«
Die Ministerin stellte ausdrücklich fest, dass die Militärrabbiner nicht nur für jüdische Soldaten da sein würden. »Ihre Tür steht allen Angehörigen der Bundeswehr offen.« Das neue Angebot in der Armee sei auch ein Beitrag zum Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus. Man wolle auch nichtjüdische Menschen mit dem Judentum vertraut machen und sensibilisieren, sagte Kramp-Karrenbauer.
Man wolle auch nichtjüdische Menschen mit dem Judentum vertraut machen und sensibilisieren, sagte Kramp-Karrenbauer.
Die SPD-Abgeordnete Katrin Budde betonte, dass es keine Selbstverständlichkeit sei, dass schon bald wieder jüdische Geistliche bei der Bundeswehr tätig sein werden. »Eigentlich müssen wir ›Danke‹ sagen, dass wieder Vertrauen da ist und dass die jüdische Gemeinschaft diesen Schritt gegangen ist – gerade in Anbetracht unserer Geschichte.«
AUSLANDSEINSÄTZE Budde verwies auf den Paragrafen 36 des Soldatengesetzes, in dem es heißt: »Der Soldat hat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung.« Das gelte für alle Soldaten, unabhängig von ihrer Konfession. Die Politik müsse allerdings auch das Angebot dafür schaffen, diesen Anspruch wahrzunehmen, betonte sie.
Gerade bei schwierigen Auslandseinsätzen sei es oft der geistliche Beistand, der vonnöten sei – nicht nur für Soldaten, sondern auch für ihre Familienangehörigen seien die Militärseelsorger da, sagte Budde.
Die Oppositionsparteien AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen unterstützten einhellig das Vorhaben. Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner wünschte sich, dass bald auch muslimische Soldaten in der Bundeswehr eine eigene Militärseelsorge bekommen werden. Dies dürfe nicht an einem »bürokratischen Verfahrensstreit« scheitern, sagte er.
VERSCHRÄNKUNG Christine Buchholz (Die Linke) meinte, das Angebot einer jüdischen Seelsorge in der Bundeswehr sei überfällig. Doch kritisierte sie die institutionelle Verschränkung von Militär und Religionsgemeinschaften, wie sie sich in der Finanzierung von Strukturen und der Verbeamtung von Militärseelsorgern ausdrücke.
»Deswegen wollen wir mittelfristig eine vom Militär institutionell unabhängige Soldatenseelsorge für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die nicht finanziell vom Staat getragen und auch nicht in militärische Strukturen eingebettet sein darf.«