Vor seinen Gesprächen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hatte Heiko Maas am Montagvormittag eine bewegende Begegnung mit Überlebenden der Schoa. Der Bundesaußenminister besuchte am zweiten Tag seiner Israel-Reise in Jerusalem das Zentrum von Amcha, einer Organisation, die psychosoziale Hilfe für Überlebende und ihre Familien anbietet.
Bei Amcha hatten sich Überlebende zu einem vorgezogenen Pessach-Seder versammelt. Darunter auch der 100-jährige Elias Feinzilberg, der Maas erzählte, dass er 1917 im polnischen Lodz geboren wurde und später die Hölle der Schoa in neun verschiedenen Lagern – darunter Auschwitz, Buchenwald und Dachau – überlebte.
pessach Für ihn und die anderen Besucher des Treffs sei Pessach ein ganz besonderes Fest, da es an die Befreiung aus der Sklaverei erinnert, eine Erfahrung, die jeder Einzelne von ihnen selbst gemacht hat. Freiheit habe für die Schoa-Überlebenden eine ganz eigene Bedeutung, so Amcha-Direktor Aryeh Barnea.
Dass er von den Überlebenden und ihrem Land so freundlich und warmherzig empfangen werde, sei für einen deutschen Außenminister »ein unverdientes Geschenk«, betonte Maas. Und dann bezog er sich nochmals auf die Passage seiner Antrittsrede im Auswärtigen Amt, in der er gesagt hatte, dass er »wegen Auschwitz« in die Politik gegangen sei.
Maas erklärte, dass er vom Nationalsozialismus und der Schoa in der Schule erfahren habe. Daraufhin habe er sich auch mit seiner eigenen Familiengeschichte beschäftigt, fand dort aber keine Widerstandskämpfer, nur Mitläufer. »Da habe ich angefangen, mir Gedanken darüber zu machen, was ich selbst tun kann und welchen Beitrag ich selbst liefern kann, dass es so etwas nie wieder gibt.«
antisemitismus Man müsse heute beweisen, dass man etwas aus der Geschichte gelernt hat, sagte der SPD-Politiker. Überall in der Gesellschaft gebe es Rassismus und Antisemitismus. Man habe die Lehren aber nur gezogen, wenn man heute gegen Rassismus und Antisemitismus kämpfe. »Das begleitet mich mein ganzes Leben, das ist meine Lehre, die ich aus der deutschen Geschichte gezogen habe. Und das ist der Grund, warum ich heute hier bin.«
Dann nahm der Außenminister das auf dem Tisch bereitstehende Tablett, verteilte die kleinen Plastikbecher mit dem Kidduschwein – und sagte »Lechaim«. Elias Feinzilberg, der eine weiße gestrickte Kippa trägt, fragte ein wenig irritiert, was denn mit der Bracha sei. Die fiel diesmal aus. Dennoch waren die Überlebenden sichtlich dankbar für den Besuch und die abschließende spontane Geste des deutschen Außenministers. ddk