Als Gründer und Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma ist er Sprecher der Minderheit, zu der bundesweit etwa 120.000 Bürger gehören. Romani Rose streitet zugleich beharrlich und zielstrebig für den Schutz von Demokratie und Menschenwürde.
»Nach dem Zivilisationsbruch der NS-Zeit, nach der Vernichtung von sechs Millionen Juden und 500.000 Sinti und Roma habe ich erst im Kampf für Rechtsstaat und Demokratie meine Identität gefunden«, sagt Rose. Am 20. August wird er 75.
FORDERUNG Rose ist Heidelberger, stolz auf die Geschichte und Kultur seiner Heimatstadt. Wie ein roter Faden zieht sich die Forderung, Sinti und Roma in der Bundesrepublik als gleichberechtigte deutsche Staatsbürger anzuerkennen, durch seine jahrzehntelange politische Arbeit.
Ab den 1980er Jahren kämpfte er für Entschädigungen von NS-Überlebenden und protestierte gegen antiziganistische Haltungen bei Polizei, Justiz und Behörden. 1982 gründete er den Zentralrat mit, um die Interessen und Bürgerrechte der Sinti und Roma zu stärken.
Er wurde zum Vorsitzenden gewählt - und bis heute immer wieder im Amt bestätigt. An eine Abgabe der Leitungsverantwortung mag er nicht denken. Roses Energie ist ungebrochen. Sei es bei Protesten gegen rassistische Übergriffe oder gegen antiziganistische Vorurteile in den Medien.
ANERKENNUNG Dabei liegt hinter dem rastlosen und kommunikativen Zentralratschef ein langer Weg. Es dauerte Jahrzehnte, bis die Bundesrepublik nach dem Weltkrieg die Verfolgung und Ermordung von 500.000 Sinti und Roma durch die Nazis anerkannte. In seinem Büro zeigt er Polizei-Karteikarten, die noch Ende der 1960er Jahre als Identifikationsmerkmal von Roma die eintätowierten KZ-Nummern verzeichneten.
Als Meilenstein der Anerkennung erlebte Rose die symbolische Geste des höchsten deutschen Zivilgerichts - des Bundesgerichtshofs (BGH) -, das sich 2016 für ein Urteil aus den 1950er Jahren entschuldigte, das Roma als »primitive Urmenschen« herabwürdigte und NS-Rassenideologie zitierte. »Diese Entschuldigung zeigt die Kraft des demokratischen Rechtsstaats«, sagt Rose.
Am zentralen Denkmal für die NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Berlin wird auch Familienangehöriger Roses gedacht.
Eine ähnliche Geste wünscht er sich auch von seiner, der katholischen Kirche. Deren Rolle und Mitverantwortung bei der NS-Verfolgung von Sinti und Roma, etwa bei der Deportation von Kindern aus katholischen Heimen in die Todeslager, sei nur unzureichend aufgearbeitet.
BITTE Sein Vater, erzählt Rose, sprach noch 1943 beim damaligen Münchner Kardinal Michael Faulhaber vor, um die Auschwitz-Deportation Münchner Sinti und Roma zu verhindern. »2013 hat eine Kirchenhistorikerin im Nachlass Faulhabers den entsprechenden Tagebucheintrag entdeckt.« Faulhaber wies demnach die Bitte von Roses Vater ab. 13 direkte Familienangehörige Roses ermordeten die Nazis in den Konzentrationslagern.
Auch ihrer wird am zentralen Denkmal für die NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Berlin gedacht, dessen Realisierung der Zentralrat bis zur Eröffnung 2012 entscheidend vorantrieb.
Allerdings gibt es dort jetzt Auseinandersetzungen darüber, ob eine unter dem Denkmal geplante U-Bahn das Gedenken und das Mahnmal beeinträchtigen könnte. Rose rät zu pragmatischer Zusammenarbeit mit der Bahn, andere Sinti und Roma lehnen das Berliner Bauprojekt kompromisslos ab.
BAU Dagegen kommt der erhoffte Neu- und Umbau des Heidelberger Sinti-und-Roma-Zentrums wie geplant voran. Der Siegerentwurf eines internationalen Architekturwettbewerbs sieht vor, das Gebäudeensemble von Zentralrat und Dokumentationszentrum zur Heidelberger Altstadt hin zu ergänzen und moderne Ausstellungs- und Veranstaltungsräume mit einem Besuchercafé zu verbinden. »Ich hoffe, dass ich den Bau noch begleiten kann«, sagt Rose.
Vor einigen Wochen legte Rose mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erstmals einen umfassenden Bericht zu antiziganistischen Einstellungen in der Gesellschaft vor.
Inklusive konkreter Vorschläge wie die Berufung eines Antiziganismus-Beauftragten oder eine Anerkennung des NS-Genozids an den Sinti und Roma. »Der nächste Schritt ist nun ein Staatsvertrag mit der Bundesrepublik, wie es ihn bislang nur auf Länderebene in einigen Bundesländern gibt.« Rose wird auch dafür kämpfen.