Interview

»Ein striktes PID-Verbot ist falsch«

Josef Schuster Foto: Rafael Herlich

Interview

»Ein striktes PID-Verbot ist falsch«

Josef Schuster über die Halacha, ethische Grundsätze und Organspenden

von Heide Sobotka  21.12.2010 10:10 Uhr

Herr Schuster, wir stoßen beim medizinisch Machbaren immer wieder an moralische Grenzen. Was können Sie als Mitglied einer Ethik-Kommission und Arzt zur Debatte beitragen?
Die Halacha gibt uns sehr klare Linien vor. Und bei manchen Fragen tut man sich von jüdischer Seite sicherlich leichter als etwa die christlichen Kommissionskollegen. Zum Beispiel, wenn es um das werdende Leben geht.

Welche Position vertritt das Judentum bei der Präimplantationsdiagnostik (PID), also der Untersuchung des Erbguts bei einem im Reagenzglas entstandenen Embryo?
Wir haben damit wenig Probleme – was ein Grund dafür ist, dass Israel in der Forschung auf diesem Gebiet als führend gilt. Auch aus orthodox-religiöser Sicht ist an diesem Verfahren nichts auszusetzen.

Aufgrund der Nazi-Geschichte ist man in Deutschland vorsichtig, was das Eingreifen in das Entstehen menschlichen Lebens angeht. Wie argumentieren Sie?
Wenn es darum geht, menschliches Leid, sowohl für das zukünftige Lebewesen als auch für seine Eltern, zu verhindern, dann sollte es die Möglichkeit zur PID geben. Unabhängig davon, dass man von jüdischer Seite den zeitlichen Beginn des Lebens anders definiert, ist auch für uns ein Designerbaby inakzeptabel. Ein striktes PID-Verbot halte ich jedoch für falsch.

Ein weiteres, kontrovers diskutiertes Thema ist die Organspende. Der Körper soll eigentlich unversehrt bestattet werden.
Aber: Pikuach Nefesch – zur Erhaltung des Lebens treten alle anderen Gebote zurück! Auch nach Meinung der Mehrheit orthodoxer Rabbiner ist unter Berücksichtigung von Pikuach Nefesch eine Organspende erlaubt.

Es hat also auch in der Orthodoxie ein Umdenken stattgefunden?
Zu Beginn der Diskussion über Organspenden war man im orthodoxen Judentum sehr viel zurückhaltender als heute. Ich selbst habe diese Frage noch vor einigen Jahren halachisch anders bewertet als heute.

Was motiviert Sie überhaupt, einer EthikKommission anzugehören?
Ich denke, dass die Themen, die hier diskutiert werden, breite gesellschaftliche Relevanz haben. Gerade aufgrund der Erfahrungen aus der Geschichte ist es wichtig, dass von jüdischer Seite eine Mitwirkung möglich ist. Ich glaube, dass unsere Beteiligung sinnvoll ist, da es sehr klare Richtlinien gibt, unter welchen Voraussetzungen etwa PID oder eine Organspende erlaubt sind.

Im Deutschen Ethikrat fehlt diese jüdische Stimme. Warum?
Das wurde schon häufig kritisiert. Wir sind jedoch auch bislang noch nicht eingeladen worden.

Mit dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden und Mitglied der Zentralen Ethik-Kommission bei der Bundesärztekammer sprach Heide Sobotka.

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seinem Israel-Besuch die enge Partnerschaft - und hofft auf konkrete Fortschritte bei Trumps Gaza-Plan

von Sara Lemel  06.12.2025

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025

Offenbach

Synagoge beschmiert, Kinder durch Graffiti eingeschüchtert

Rabbiner Mendel Gurewitz: »Ich war der Meinung, dass wir hier in Offenbach mehr Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen haben als etwa in Frankfurt oder in anderen Städten.«

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Washington D.C.

Trump plant Übergang in Phase II des Gaza-Abkommens

Der nächste große Schritt erfolgt dem Präsidenten zufolge schon bald. Ein »Friedensrat« soll noch vor Weihnachten präsentiert werden

 05.12.2025

Berlin

Linken-Chef empört über Merz-Reise zu Netanjahu

Jan van Aken regt sich darüber auf, dass er Bundeskanzler Ministerpräsident Netanjahu treffen wird

 05.12.2025