Lange wurde geplant und um Gelder geworben, fast sieben Jahre lang gebaut, begleitet von Kritik und Protest. Mehr als zwei Millionen Ziegelsteine sind seit 2017 im neuen Potsdamer Garnisonkirchturm vermauert worden und haben ihn in die Höhe wachsen lassen.
Zwei Drittel der ursprünglichen Höhe von knapp 90 Metern sind inzwischen erreicht. Am Donnerstag wird das neue Bauwerk, dem noch die Turmhaube fehlt, eröffnet. Zum Festakt wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet, seit 2017 Schirmherr für den Turm.
Die Geschichte der historischen evangelischen Militärkirche Preußens in Potsdam und die Initiatoren des Wiederaufbaus standen dem Projekt lange im Weg und sorgen bis heute für Widerspruch. Der 1735 fertiggestellte Barockbau war lange auch Ort demokratiefeindlicher Strömungen.
Selbstinszenierung der Nazis
1933 wurde sie von den Nationalsozialisten am »Tag von Potsdam« zur Selbstinszenierung genutzt, Adolf Hitler hielt dort eine Rede. 1945 brannte die Garnisonkirche nach einem Luftangriff aus. Ein Raum im Turm wurde ab 1950 als Heilig-Kreuz-Kapelle weiter genutzt. Im Jahr 1968 wurde die Ruine in der DDR auf Veranlassung der SED abgerissen, der Turm wurde gesprengt.
1984 gründeten rechtskonservative Bundeswehroffiziere einen Verein, der auch den Wiederaufbau der Garnisonkirche zum Ziel hatte - im Fall einer Wiedervereinigung. Dann fiel tatsächlich die Mauer. Die Stadt Potsdam sprach sich für den Wiederaufbau aus, das historische Stadtbild sollte zurückgewonnen werden. Der Soldatenverein begann, Spenden zu sammeln. Doch die evangelische Kirche vor Ort spielte nicht mit. Sie lehnte den Wiederaufbau mit Verweis auf die Geschichte ab.
Seitdem ziehen sich teils heftige Kontroversen durch die jüngere Geschichte. Manfred Stolpe (1936-2019), evangelischer Kirchenjurist und bis 2002 Ministerpräsident von Brandenburg, war vehementer Verfechter des Wiederaufbaus. Der SPD-Politiker sah darin auch eine Wiedergutmachung für den Abriss in der DDR. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker (1920-2015) gehörte zu den Befürwortern. Der TV-Moderator Günther Jauch hat viel Geld für das Bauwerk gespendet.
Vorsichtiger Stimmungswandel
Kritik kam und kommt aus Teilen von Kirche, Stadtgesellschaft und Wissenschaft, vom evangelischen Pfarrer und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer bis hin zur früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Initiativen wie »Potsdam ohne Garnisonkirche«, »Christen brauchen keine Garnisonkirche« oder »Lernort Garnisonkirche« argumentieren gegen den Wiederaufbau.
Der vorsichtige Stimmungswandel in der evangelischen Kirche in Richtung Wiederaufbau setzte vor rund 25 Jahren ein. Schließlich wurde den umstrittenen Initiatoren das Projekt Garnisonkirche aus der Hand genommen. 2008 wurde eine kirchliche Stiftung dafür gegründet, den Kuratoriumsvorsitz übernahm der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Berliner Bischof Wolfgang Huber.
Versuche, die Spendengelder des Soldatenvereins zu bekommen, scheiterten. Die eigene Spendenwerbung begann - mit nur mäßigem Erfolg. Dann kam der Bund ins Spiel.
Anziehungspunkt für Rechtsextreme?
Vor elf Jahren wurde die erste zweistellige Millionensumme aus Bundesmitteln in Aussicht gestellt. Inzwischen sind es weit über 20 Millionen Euro, die aus dem Bundeshaushalt allein für den Turmbau fließen, mehr als die Hälfte der rund 42,5 Millionen Euro Baukosten.
Weitere Mittel kommen aus kirchlichen Darlehen und Spenden.
Dass irgendwann auch das Kirchenschiff wieder aufgebaut werden könnte, gilt schon aus finanziellen Gründen als unrealistisch.
Nutzungsvorschläge werden trotzdem immer mal wieder ventiliert, als Konzertsaal, Jugendbegegnungsstätte, Tagungsort für das Stadtparlament.
Kritiker befürchten, der neue Garnisonkirchturm könnte ein Anziehungspunkt für Rechtsextreme werden. Die Kirche hält dem entgegen, dies sei durch die Nutzung als Ort für Demokratiebildung und das Hausrecht praktisch ausgeschlossen. Der Besuch des neuen Potsdamer Aussichtspunkts ist mit der Möglichkeit verbunden, dort eine Ausstellung anzusehen, die auch einen kritischen Blick auf die Geschichte werfen soll.