Bremen

Ein massives Dunkelfeld

Webseite von »Keine Randnotiz« Foto: Screenshot

Mit »Keine Randnotiz« gibt es seit einem Jahr ein Kooperationsprojekt, das Vorfälle rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Land Bremen recherchiert und dokumentiert.

Auf einer digitalen Stadtkarte (keine-randnotiz.de) werden nicht nur aufsehenerregende Vorfälle wie »Pulverbrief-Serie« verzeichnet, in der seit Beginn dieses Jahres in über 30 Fällen Briefe mit einem unbekannten Pulver an Parteibüros und Politiker verschickt wurden.

aufmerksamkeit Publik gemacht werden auf »Keine Randnotiz« auch Drohungen, Beleidigungen oder körperliche Übergriffe, die medial wenig bis gar keine Aufmerksamkeit erfahren.

Bis Ende Juli hat die Redaktion 56 Vorfälle zusammengetragen – das sind schon jetzt fast genauso viele wie im gesamten Jahr 2019. Demnach hat die Zahl der Beleidigungen und Propagandadelikte in diesem Jahr um rund zehn Prozent zugenommen, die der Bedrohungen ist sogar um 87,5 Prozent gestiegen.

André Aden vom an der Initiative beteiligten Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus führt das weniger auf die verbesserten Erfassungsmöglichkeiten des Projektes zurück als vielmehr auf das »gewachsene Selbstbewusstsein und die gefestigten Organisationsstrukturen« der Rechten.

VERHARMSLOSUNG Auch in Bremen gebe es eine »Kultur der Verharmlosung und Verleugnung« von rechter Gewalt, sagt eine Sprecherin von »soliport«, einer Beratungsstelle für direkt Betroffene, die ebenfalls an »Keine Randnotiz« beteiligt ist. Rassistische und antisemitische Vorfälle seien »an der Tagesordnung«.

In der Chronik finden sich auch antisemitische Vorfälle aus dem linken Spektrum.

Die Sprecherin, die aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden will, geht von einem enormen Dunkelfeld von Vorfällen aus, das nochmals genauso hoch sein dürfte wie die Anzahl der erfassten Taten.

In der kostenlosen Beratung von soliport erfahren Ratsuchende praktische Solidarität – vertraulich und auf Wunsch anonym. »Ihre Perspektiven und Bedürfnisse stehen dabei im Mittelpunkt«, erklärt die Sprecherin. Beraten werden neben den direkt Betroffenen auch ihr soziales Umfeld und Zeugen.

PERSPEKTIVEN Entscheidend sei dabei nicht, ob die Täter sich selbst dem rechten Spektrum zuordnen oder sich als antisemitisch, rassistisch oder auch homophob verstehen. Zentral seien die Handlungen selbst sowie die Perspektiven der Betroffenen. Aus diesem Grund finden sich in der Chronik auch antisemitische Vorfälle aus dem linken Spektrum.

So sind antisemitische Hate Speech und Boykottaufrufe gegen eine israelische Bäckerei im Namen der BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) oder ein antisemitischer, physischer Übergriff auf einer antirassistischen Demonstration im Februar dieses Jahres aufgeführt. In beiden Fällen handelt es sich um einen Täter aus dem organisierten linken Spektrum.

Bis Ende Juli sind für das Land Bremen 30 Fälle von Antisemitismus in die Chronik eingegangen. Zugenommen haben in den vergangenen Monaten auch antisemitische Verschwörungsmythen, die vor allem auf den sogenannten Hygiene-Demos geäußert wurden. Antisemitismus von Muslimen und Islamisten spiele in den Beratungsgesprächen und der Webchronik eine derzeit nur geringfügige Rolle, sagt Aden vom Mobilen Beratungsteam. Er geht jedoch davon aus, dass es auch hier ein »massives Dunkelfeld« gibt.

rechtsterrorismus In Bezug auf die Bedrohung von rechts spricht Aden von »planmäßigem Vorgehen« und »operativer Intelligenz«, die an den Rechtsterrorismus anknüpfe. »Schockeffekte« seien, wie etwa bei der »Pulverbrief-Serie«, einkalkulierter Bestandteil der Taten.

Gewachsene und gefestigte Strukturen der Hooligan-, Kameradschafts- und Rechtsrock-Szene stellten insgesamt ein enormes Bedrohungspotenzial dar. Kampfsportveranstaltungen der rechten Szene stünden in Bremen auf einem »gewaltigen Fundament«.

»Keine Randnotiz« will mit den gesammelten und aufbereiteten Informationen vor allem die kritische Öffentlichkeit erreichen. Eine aktive Zusammenarbeit mit Politik, Justiz und Sicherheitsbehörden wird nicht angestrebt. Die Macher verstehen ihr Projekt vielmehr als Teil der kritischen Zivilgesellschaft, der sie mit ihrer Webchronik ein möglichst barrierearmes und jederzeit zugängliches »Werkzeug« zur Verfügung stellen möchten.

Rheinland-Pfalz

Volker Beck kritisiert Verträge mit Islam-Verbänden

Zu den Partnern des Bundeslandes gehören jetzt Ditib, Schura und Ahmadiyya Muslim Jamaat

 22.12.2024

Bundeswehr

Kamerad Rabbiner

Seit 2021 sind jüdische Seelsorger großflächig im Einsatz. Der Bedarf ist enorm, die Lage angespannt. Unterwegs mit den Militärrabbinern Oleg Portnoy und Nils Ederberg

von Helmut Kuhn  22.12.2024

Gazelle Sharmahd

»Deutschland muss aufhören, immer alles falsch zu machen«

Die Tochter des im Iran getöteten Deutschen Jamshid Sharmahd wirft der Bundesregierung eine gescheiterte Iran-Politik vor. Ein Interview

von Michael Thaidigsmann  22.12.2024

Meinung

Eine Replik von Eva Menasse auf Lorenz S. Beckhardts Text »Der PEN Berlin und die Feinde Israels«

von Eva Menasse  21.12.2024

Debatte

Nach Eklat in Darmstadt: Felix Klein vermisst hassfreien Raum für palästinensisches Leid

Antisemitismusbeauftragter: Verständnis für palästinensisches Leid wird vereinnahmt

 20.12.2024

Meinung

Der AfD-Claqueur

Elon Musk hat sich als Unterstützer der AfD geoutet. Das sollte seinen Anhängern in Deutschland eine Warnung sein

von Michael Thaidigsmann  20.12.2024

Meinung

Der PEN Berlin und die Feinde Israels

In der Schriftstellervereinigung konnte eine Resolution BDS-naher Autoren gerade noch abgewendet werden. Alles gut also? Nicht wirklich

von Lorenz S. Beckhardt  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024