Ich habe den Vater von Amit umarmt, der nicht mehr schlafen kann, seit sein Sohn verschleppt wurde, dem Großvater von Yahel und Nave zugehört, der seine kleinen Schätze schmerzlich vermisst, mit der Mutter von Yagil und Or geweint. Ihre Kinder und Enkel sind Geiseln in Gaza.
Schon in den nächsten Tagen könnten sie sie wieder in die Arme schließen, wenn eine Vereinbarung zwischen der Hamas und Israel in die Tat umgesetzt wird – nach 50 oder mehr Tagen und Nächten des Wartens und der grauenvollen Ungewissheit.
Geiseln zu nehmen, ist ein Verstoß gegen die Genfer Konvention. Kinder als Gefangene in Tunneln zu halten, entbehrt jeglicher Menschlichkeit. Man sagt, der Schmerz, den die Angehörigen durchmachen, ist nicht vorstellbar. Doch Eltern ahnen, wie es sich anfühlen würde, wenn den eigenen Kindern etwas Schreckliches zustößt. Es ist unsere größte Angst. Meine Kinder sind 23, 14 und zehn Jahre alt. Mädchen und Jungen, die in Gaza festgehalten werden, sind genauso alt wie sie.
Kinder dürfen niemals Kriegspfand sein
Dass jetzt vor allem die Verletzlichsten unter den Gekidnappten freikommen sollen, ist ein Lichtblick, weil Kinder niemals Kriegspfand sein dürfen. Es ist richtig, dass sich Israel auf diesen Deal einlässt – so schwer es auch fällt. Denn es sind nicht nur 50 Geiseln in Gaza, sondern mindestens 240.
Auch auf die anderen 190 warten Angehörige voller Angst. Wie die Schwester von Evyatar, einem jungen Mann, der auf einer Party in der Wüste gekidnappt wurde. Oder die Mutter von Omer, dem 21-Jährigen, der unter Asthma leidet. Ihre Liebsten werden wahrscheinlich noch nicht nach Hause kommen.
Ich erinnere mich, wie die Familien vor einigen Tagen verzweifelt riefen, dass »nur alle gemeinsam befreit werden dürfen«. Es war der Ruf von Menschen, die bereits wussten, was kommen könnte. Ihr Flehen hallt schmerzvoll in meinem Kopf. Ich sehne mich für jede einzelne Geisel nach dem Licht am Ende des Hamas-Tunnels.
Die Autorin ist Israel-Korrespondentin der Jüdischen Allgemeinen.