Das Erwartete ist eingetreten: Der Front National (FN) wurde bei den Regionalwahlen stärkste politische Kraft in Frankreich. Schon 2002 hatte die Partei es in die Stichwahl um die Präsidentschaft geschafft. Nicht erst seit damals kämpft der Dachverband der französischen Juden, der CRIF, gegen diese Bedrohung.
Wir und andere Verteidiger der französischen Demokratie wollen nicht zulassen, dass der FN als ganz normale politische Partei gesehen wird. Wir erinnern daran, dass der FN in der Tradition des Vichy-Regimes steht, der Kollaborateure mit Hitlers Nazideutschland.
rhetorik Gewiss, der FN hat seine antisemitische Rhetorik zurückgefahren, und tatsächlich haben auch etliche Juden, freilich aus sehr individuellen Motiven, den FN gewählt. Das verwundert nicht: Juden sind genauso verunsichert wie alle Franzosen. Und es wäre falsch, die aktuellen Erfolge der Rechten einzig mit den jüngsten Terroranschlägen erklären zu wollen. Der FN ist gerade im strukturschwachen Nordfrankreich stark. Dort haben viele Menschen Angst, den Anschluss an die Gesellschaft zu verlieren.
Die Terroranschläge in Paris im Januar auf den »Hyper Cacher« und auf »Charlie Hebdo« sowie am 13. November werden dazu benutzt, Stimmung gegen Fremde, Migranten, Flüchtlinge zu machen. Aber das Gros der Pariser Terroristen waren Franzosen: hier geboren, aufgewachsen, ausgebildet. Es ist ein Problem dieser Gesellschaft.
radikalisierung Oft wird darauf verwiesen, dass den Terroristen ihr Bekenntnis zum Islam gemein sei. Das ist richtig, aber die Gewalt ist nicht das Problem des Islam. Wir erleben schließlich nicht zum ersten Mal eine religiöse Radikalisierung – nur, dass es früher eine christliche Radikalisierung war.
Nun muss die Mehrheit der friedlichen Muslime gestärkt werden: Die müssen sich einmischen. Das ist gewiss nicht Aufgabe der jüdischen Gemeinschaft, das muss die muslimische Community selbst unternehmen – nicht zuletzt für sich selbst.
Der Autor ist Vizepräsident der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF.