Schule

Ein einsamer Kampf

Der Lehrer Max Teske und seine Kollegin Laura Nickel haben rechtsextreme Umtriebe an ihrer Schule publik gemacht. Foto: picture alliance/dpa

Es ist unerträglich, Hass hautnah zu erleben. Noch unerträglicher ist es, der ständigen Ohnmacht ausgeliefert zu sein. Sich an das mehrfach zitierte Bekenntnis »Nie wieder!« zu erinnern und die Umsetzung dieser Aussage in der deutschen Schullandschaft zu suchen – oftmals vergebens.

Meine Eltern haben vor mehr als 30 Jahren die ehemalige Sowjetunion verlassen, damit ihre Kinder, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, die Demokratie erfahren und mitgestalten können.

Alltag Seit meinem Berufsstart als Lehrerin an einer öffentlichen Schule erlebe ich offenen Antisemitismus im Schulalltag. Ich bringe an Chanukka Donuts mit, ich erkläre, ich diskutiere. Ein größtenteils einsamer Kampf, der Betroffene wie mich alleine lässt, egal, wie oft oder wie laut geschrien wird. Außenstehende lächeln einem nett zu, empfehlen den Besuch eines Workshops und verweisen auch gern mal auf die Politik Israels.

Wir sind dazu angehalten, unsere Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen. Doch sind wir alle, die die Schule mitgestalten, selbst mündig? Sind wir imstande und willens, unsere wertvolle und hart erkämpfte Demokratie zu verteidigen, auch wenn sich das Erreichen des Ziels steinig gestaltet?

Die Erfahrungen von Max Teske und Laura Nickel belegen das Wegschauen, Verharmlosen und Alleinlassen der Betroffenen.

Die Erfahrungen der beiden Lehrkräfte aus Burg in Brandenburg, Max Teske und Laura Nickel, offenbaren die bittere Wirklichkeit und belegen das Wegschauen, Verharmlosen und Alleinlassen der Betroffenen. Die beiden hatten im April mit einem Brandbrief auf die erschreckenden Zustände an ihrer Schule aufmerksam gemacht. Der Schulalltag in dem brandenburgischen Ort ist offenbar von Rassismus, Antisemitismus und Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus geprägt.

Teske und Nickel sehen sich mittlerweile aufgrund von Anfeindungen gezwungen, ihre Arbeitsstätte zu verlassen. Einen Wirkungsort, dessen Zweck es sein sollte, Menschlichkeit zu lehren und Hass zu bekämpfen. Die Geschehnisse zeichnen eine neue Normalität. Nicht der Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus werden bekämpft, sondern die Menschen, die auf die Ausgrenzung anderer aufmerksam machen.

Rückhalt Für ein »Nie wieder!« braucht es nicht noch eine Rede oder eine weitere Studie. Wo bleiben verpflichtende Handlungskompetenzen, die unmittelbare Umsetzung pädagogischer Maßnahmen und rechtliche Konsequenzen? Um unsere Demokratie zu verteidigen, reicht eine Haltung auf dem Papier nicht aus. Wir müssen diesen mühsamen Weg als Gesellschaft gehen und Leidtragenden bedingungslos Rückhalt bieten.

Diese Zeilen werden unter einem Pseudonym veröffentlicht. Ich kann die antisemitischen und rassistischen Ausschreitungen an den Bildungsinstitutionen sowie das Wegducken der Verantwortlichen nicht schweigend hinnehmen. Gleichzeitig muss ich aber mich und vor allem mein Kind vor Anfeindungen schützen, die in der heutigen Welt leider Realität sind.

Die Autorin ist Lehrerin an einer öffentlichen Schule in Berlin und schreibt unter einem Pseudonym. Der Redaktion ist ihr wahrer Name bekannt.

Interview

»Niemand soll jetzt die Hände in Unschuld waschen«

Michel Friedman über seinen Austritt aus der CDU, die Debatte um Friedrich Merz und die Bedeutung von Glaubwürdigkeit in der Politik

von Michael Thaidigsmann  30.01.2025

Frankfurt am Main

»Antisemitische Reaktion« im Studio des Hessischen Rundfunks

Die deutsch-israelische Informatikexpertin Haya Schulmann erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Moderatorin und die Redaktion des Hessischen Rundfunks

von Imanuel Marcus  30.01.2025 Aktualisiert

Frankfurt

»Unentschuldbares Machtspiel«: Michel Friedman tritt aus CDU aus

Friedrich Merz habe mit der Abstimmung im Bundestag die »Büchse der Pandora« geöffnet, so der Publizist

 30.01.2025

Geiselabkommen

Sorge um das Schicksal der verbliebenen deutschen Geiseln

Tut die Bundesregierung genug für ihre verschleppten Staatsbürger in Gaza? Kritiker haben daran Zweifel

von Detlef David Kauschke  30.01.2025

Studie

Wann war die AfD bei Abstimmungen wichtig?

Die AfD hat im Bundestag für eine Mehrheit des Unionsantrags für schärfere Migrationspolitik gesorgt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie Mehrheiten beschafft

 30.01.2025

Vandalismus

CDU-Geschäftsstellen in Dortmund und Lünen beschmiert

Zuvor wurde eine Schützenhalle im Sauerland besprüht. Die Taten stehen mutmaßlich im Zusammenhang mit einem Unionsantrag, der mithilfe von AfD-Stimmen im Bundestag verabschiedet wurde

 30.01.2025

Debatte

Holocaust-Überlebende Eva Umlauf: »Tun Sie es nicht, Herr Merz«

Eva Umlauf hat als kleines Mädchen das NS-Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Sie richtet einen direkten Appell an die Union, nicht mit der AfD zu stimmen

 30.01.2025

Berlin

NS-»Euthanasie«-Opfer erhalten Anerkennung durch den Bundestag

Die Nationalsozialisten ließen massenhaft Patienten und Insassen von Heil- und Pflegeanstalten sowie von »rassisch« und sozial unerwünschten Menschen ermorden

 30.01.2025

Freiburg

Jüdische Gemeinde sieht »untragbare Lage« an Albert-Ludwigs-Universität

In einem offenen Brief an Rektorin Kerstin Krieglstein heißt es, jüdische Studenten würden ausgegrenzt. Das ist offenbar nur die Spitze des Eisbergs

von Imanuel Marcus  30.01.2025