Institute for Jewish Policy Research

Ein blinder Fleck der Forschung

Eine der wenigen spezialisierten Einrichtungen in Europa: das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam Foto: picture-alliance / ZB

Eine Europäische Union ohne Antisemitismus – so lautet das Ziel der EU-Kommission in ihrer 2021 verabschiedeten »Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens (2021-2030)«. Der Forschung rund um die Themen Antisemitismus und jüdisches Leben kommt darin eine Schlüsselrolle zu. Doch zuvor sollte man wissen, welche Institutionen in den Mitgliedsstaaten auf diesen Feldern überhaupt aktiv sind und wie ihre Arbeitsschwerpunkte aussehen.

Genau das war der Ansatz des Institute for Jewish Policy Research (JPR), einem unabhängigen Thinktank in London, der nun seine Ergebnisse veröffentlichte. »Der neue Report ist als Bestandsaufnahme der Forschung ein erster Schritt für die Europäische Kommission, um darüber hinaus das nötige Wissen über das gegenwärtige jüdische Leben, seine Entwicklung und die Auswirkungen des Antisemitismus auf dieses zu erlangen«, brachte Katharina von Schnurbein, Koordinatorin der Europäischen Kommission zur Bekämpfung des Antisemitismus und Förderung des jüdischen Lebens, gegenüber der Jüdischen Allgemeinen die Zielsetzung auf den Punkt.

veröffentlichungen Auffällig, so die Macher des Reports, ist die Tatsache, dass sich die Zahl der Veröffentlichungen zu diesen Themen zwischen den 90er- und 2010er-Jahren mehr als verdoppelt hat – Antisemitismus scheint also ein »attraktives« Forschungsthema zu sein, das zudem äußerst niederschwellig ist. Doch weil es wenig institutionalisiert ist, sieht es schlecht mit Promotionen oder Nachwuchsförderung aus. Zudem ist es im Vergleich zu historischen Themen relativ schwierig, für die Analyse des gegenwartsbezogenen Antisemitismus und jüdisches Leben finanzielle Mittel zu bekommen. Das führt dazu, dass Wissenschaftler in andere Forschungsbereiche wechseln.

Viele Wissenschaftler wechseln wegen mangelnder Förderung den Forschungsbereich.

Zudem gibt es kaum spezialisierte Forschungseinrichtungen – in Deutschland wären nur das Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin sowie das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam zu nennen. Und das einzige Institut in Europa, das sich sowohl mit dem aktuellen jüdischen Leben befasst als auch den gegenwärtigen Antisemitismus erforscht, scheint derzeit das JPR zu sein.

Veröffentlichungen Aus Deutschland stammen nach Großbritannien trotzdem die meisten Veröffentlichungen – auch von außeruniversitären Institutionen, wie der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) oder der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS). 

Was die untersuchten Themen angeht, registrieren die Autoren Forschungslücken in den Bereichen Demografie und Bildungsanstrengungen gegen Antisemitismus. Letzteres überrascht, da in so gut wie allen politischen Aktionsplänen Bildung als Schlüssel zur Prävention genannt wurde. Ähnlich defizitär erscheint die Einbeziehung der Betroffenenperspektive: Nur fünf Prozent aller veröffentlichten Publikationen setzen sich mit der Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden auseinander.

Daher empfiehlt der Bericht der EU, ein virtuelles Forschungszentrum zu errichten, das dem Thema gegenwärtiges jüdisches Leben gewidmet ist. So ließe sich Wissenschaft europaweit besser koordinieren und eine Brücke zu politischen Institutionen schlagen. Wichtig sind gleichfalls die Schaffung von Qualitätsstandards für empirische Forschungsarbeiten. Weitere Aufgaben sehen die Autoren der Studie in der richtigen Förderung.

Bewegung Dabei ist in Deutschland durchaus einiges in Bewegung: So wurde an der Katholischen Hochschule NRW 2020 das »Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien« ins Leben gerufen, und an der Universität Trier befindet sich ein Institut für interdisziplinäre Antisemitismusforschung (IIA) in Gründung, bemerkenswerterweise auf Initiative des wissenschaftlichen »Nachwuchses«. »Wir gründen unser Institut, weil die langjährig institutionalisierte Antisemitismusforschung offensichtlich keine ausreichende Wirkmächtigkeit im Kampf gegen Antisemitismus entwickelt hat«, so Salome Richter vom IIA.

»Wollte man tatsächlich die Erkenntnisse über Antisemitismus nachhaltig machen und gerade auch die föderalen Spezifika der Bundesrepublik dabei in der historischen, empirischen und konzeptionellen Forschung berücksichtigen, bedürfte es mindestens einer Professur für Antisemitismus- oder Rechtsextremismusforschung an jeder deutschen Universität«, meint Samuel Salzborn, Berlins Antisemitismusbeauftragter. Doch davon ist die Realität noch weit entfernt.

Rheinland-Pfalz

Volker Beck kritisiert Verträge mit Islam-Verbänden

Zu den Partnern des Bundeslandes gehören jetzt Ditib, Schura und Ahmadiyya Muslim Jamaat

 22.12.2024

Bundeswehr

Kamerad Rabbiner

Seit 2021 sind jüdische Seelsorger großflächig im Einsatz. Der Bedarf ist enorm, die Lage angespannt. Unterwegs mit den Militärrabbinern Oleg Portnoy und Nils Ederberg

von Helmut Kuhn  22.12.2024

Gazelle Sharmahd

»Deutschland muss aufhören, immer alles falsch zu machen«

Die Tochter des im Iran getöteten Deutschen Jamshid Sharmahd wirft der Bundesregierung eine gescheiterte Iran-Politik vor. Ein Interview

von Michael Thaidigsmann  22.12.2024

Meinung

Eine Replik von Eva Menasse auf Lorenz S. Beckhardts Text »Der PEN Berlin und die Feinde Israels«

von Eva Menasse  21.12.2024

Debatte

Nach Eklat in Darmstadt: Felix Klein vermisst hassfreien Raum für palästinensisches Leid

Antisemitismusbeauftragter: Verständnis für palästinensisches Leid wird vereinnahmt

 20.12.2024

Meinung

Der AfD-Claqueur

Elon Musk hat sich als Unterstützer der AfD geoutet. Das sollte seinen Anhängern in Deutschland eine Warnung sein

von Michael Thaidigsmann  20.12.2024

Meinung

Der PEN Berlin und die Feinde Israels

In der Schriftstellervereinigung konnte eine Resolution BDS-naher Autoren gerade noch abgewendet werden. Alles gut also? Nicht wirklich

von Lorenz S. Beckhardt  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024