Wer Anfang dieser Woche in Berlin die Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) mit Irans Außenministers Mohammed Zarif besuchte, wurde mit ohrenbetäubendem Lärm und »Schande«-Rufen begrüßt. Der »Nationale Widerstandsrat Iran« und die Kampagne »Stop the Bomb« hatten mobilisiert, um gegen Zarifs Auftritt und die Hinrichtungswelle in Iran zu protestieren.
reformer Der Außenminister ließ sich von dem Pfeifen, Trommeln, Hupen und Schreien, das seinen Auftritt wie ein akustischer Schatten begleitete, aber nicht beirren. Er lächelte und zog sein Publikum mit schönen Sätzen in den Bann: »Die globale Sicherheit ist unteilbar«, »Dialog ist notwendig« oder »Krieg ist keine gute Option«. Zarif gerierte sich als iranischer Gorbatschow; als herzensguter Reformer, der den Mächten der Finsternis Paroli zu bieten scheint.
Dabei hatte er sich nur wenige Tage zuvor noch vor dem Grab einer besonders finsteren Figur – dem Hisbollah-Kommandanten Imad Mughniyeh – verneigt, Gebetsworte gemurmelt und einen Kranz niederlegt. Mughniyeh war nicht nur 1983 für den Selbstmordanschlag verantwortlich, bei dem 241 US-Soldaten in ihrem Quartier in Beirut getötet wurden, er gilt darüber hinaus als der eigentliche Erfinder des islamistisch motivierten Selbstmordattentats. »Wir sind stolz auf unsere Märtyrer«, hatte Zarif in Teheran gesagt. »Das größte Hindernis für Amerika ist unsere Kultur des Widerstands und des Selbstopfers.«
terror Von all dem in Berlin kein Wort. Im Gegenteil, Zarif präsentierte sein Land als Insel der Mäßigung in einem Meer extremistischer Gewalt. »Wir unterstützen keine Terroristen!«, erklärte er mit verschmitztem Lächeln. »Wir finanzieren sie auch nicht.« Das Berliner Publikum hing an seinen Lippen, niemand lachte. Später bestand Zarif darauf, dass die Hisbollah, die die EU nach einem Anschlag auf jüdische Touristen in Bulgarien als Terrororganisation eingestuft hatte, »keine terroristische Organisation« sei.
Außenpolitisch sei der Iran »eine Status-quo-Macht«, die sich für Ruhe und Stabilität in der Region einsetze, führte Zarif aus. »Wir werden niemals und gegen niemanden eine militärische Operation starten.« Dass Irans Revolutionsgarden sich im Irak und Libanon einmischen in Syrien Krieg führen, erwähnte er nicht. Für die Syrien-Operation rekrutiert Iran Schiiten aus aller Welt und bildet sie in Lagern aus.
In seiner kürzlich erschienenen Autobiografie begründet Zarif zudem höchstpersönlich, warum der Iran den Status quo verneint: »Weil wir eine Mission von globaler Dimension verfolgen.« Und weiter: »Wir haben uns auf eine globale Berufung festgelegt – sowohl in unserer Verfassung, als auch bei den Endzielen der Islamischen Revolution.« Er glaube, so Zarif in seinem Buch, dass der Iran »ohne unsere revolutionären Ziele gar nicht existieren« würde.
japan In puncto Atomtechnik argumentierte Zarif in Berlin knallhart. Er wolle, dass Iran die Atomenergie uneingeschränkt verwenden kann – »so wie Japan«. Japan verfügt über 44 Tonnen Plutonium – ausreichend für 5000 Atomwaffen des Nagasaki-Typs. Der Unterschied, den Zarif nicht erwähnte, besteht darin, dass Japan, anders als der Iran, nicht nur eine Demokratie ist, sondern auch eine Macht, die den internationalen Status quo tatsächlich erhalten will und nicht mit Atomwaffen droht.
»Die beste Garantie« gegen den iranischen Griff zur Bombe, so trug Zarif in der DGAP vor, bestünde darin, »die internationalen Beziehungen so zu gestalten, dass es unlogisch wäre, aus der friedlichen Nutzung auszubrechen«. Freundlich lächelnd gab der Außenminister also bekannt, dass es allein von der internationalen Lage abhänge, ob Iran sein Programm auf militärische Zwecke umgestellt oder nicht – und nicht vom politischen Willen der Führung in Teheran.
applaus Doch so genau wollte es das Berliner Publikum gar nicht wissen: Es ließ sich von dem süßes Lächeln des Außenministers, seinem sonoren Bass und seinem Charme nur allzu gern verführen und spendete ihm Applaus. »Sie haben hier viel Vertrauen aufgebaut«, konstatierte Paul Freiherr von Maltzahn, der Generalsekretär der DGAP, bei seinem abschließenden Dank an Zarif.
Der lautstarke Protest auf der Straße erinnerte daran, dass dieses Vertrauen einem Regime gilt, das täglich Menschen hinrichtet, das Assads Massaker in Syrien fördert, das weiter Uran anreichert und das am Plutoniumbrüter baut und das Israel zu seinem Erzfeind erklärt.