Der Bundestag hat in einer Feierstunde am Freitagvormittag an das 65-jährige Bestehen des Grundgesetzes erinnert. Am 23. Mai 1949 wurde der Text, der mit den berühmten Worten »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt« beginnt, zur Verfassung bestimmt.
»Das Grundgesetz ist die unangefochtene Grundlage der politischen Ordnung unseres Landes; es gilt längst als eine der großen Verfassungen der Welt, bietet jungen Demokratien Orientierung«, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) während der Feierstunde. Er beschrieb, welche Veränderungen das Gesetz in den vergangenen Jahrzehnten erfahren hatte. So habe der einst »schlanke Text« heute fast doppelten Umfang. Allerdings betonte Lammert: »Es gibt aber auch Anlass, selbstkritisch darüber nachzudenken, ob all die weiteren Änderungen und Ergänzungen der letzten Jahrzehnte uns in ähnlicher Weise gelungen sind wie der Verfassungstext von 1949.«
Iran Deutschland sei im 65. Jahr des Grundgesetzes ein anderes Land als 1949, sagte Lammert: »In den vergangenen Jahrzehnten ist Deutschland ethnisch, kulturell und religiös vielfältiger geworden«. Auch deswegen hatte er den Schriftsteller und Orientalistikprofessor Navid Kermani eingeladen, der als Sohn iranischer Eltern in Siegen aufgewachsen ist.
Kermani lobte das Grundgesetz als »einen bemerkenswert schönen Text«. »Ich habe keinen Zweifel, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rats, sollten sie unsere Feststunde von einer himmlischen Ehrentribüne aus verfolgen, zufrieden und sehr erstaunt wären, welche Wurzeln die Freiheit innerhalb der letzten 65 Jahre in Deutschland geschlagen hat«, betonte der Schriftsteller, der sich freute, dass »ein Deutscher die Festrede im Bundestag hält, der nicht nur deutsch ist«.
»In dem anderen Staat, dessen Pass ich besitze, ist es trotz allen Protesten und allen Opfern für die Freiheit undenkbar geblieben.« Kermani prophezeite, es werde keine 65 Jahre und nicht einmal 15 Jahre dauern, bis auch in Iran ein Christ, ein Jude, ein Zoroastrier oder ein Bahai wie selbstverständlich die Festrede in einem frei gewählten Parlament hält.
Einbürgerung Auch Bundespräsident Joachim Gauck gratulierte zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes. Bei einer Einbürgerungsfeier am Donnerstag in Berlin sagte Gauck: »Mit dem Grundgesetz wurde das Fundament geschaffen für ein friedliches, pluralistisches und demokratisches Gemeinwesen. Erst für den Westen, später für ganz Deutschland. So ist unser Land Teil der freien Welt geworden.« Deutschland lebe in Frieden mit seinen Nachbarn, sei offen, vielfältig, stark und wohlhabend. »All das macht unser Land für viele Menschen in der Welt zu einem Sehnsuchtsort.«
Für 22 Menschen ist dieser Ort am Donnerstag zur neuen Heimat geworden, denn sie erhielten in einer feierlichen Zeremonie ihren deutschen Pass, darunter Einwanderer aus Brasilien, Ghana, Iran, Kamerun und Israel. ja
Rede Navid Kermanis:
www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/-/280688
Rede Norbert Lammerts:
www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/2014/-/280946
Das Grundgesetz:
www.bundestag.de/grundgesetz