Während Deutschland sich anschickt, am 1. Juli den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen, schwellen die Rufe an, Berlin könne dabei die Rolle eines »ehrlichen Maklers« in den israelisch-palästinensischen Beziehungen übernehmen. Dabei solle Deutschland seine und Europas Vorstellung einer Übereinkunft auf Grundlage einer Zweistaatenlösung verwirklichen.
Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas erfahren global ein herausragendes Renommee. Mit ihrer Knesset-Rede vom 18. März 2008, in der die Kanzlerin betonte, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson und Deutschland werde »Israel nie alleine lassen«, eroberte Merkel die Herzen der meisten Israelis.
sicherheitslage Maas’ Bekenntnis, er sei wegen Auschwitz in die Politik gegangen, wird in Israel hoch bewertet. Dennoch macht sich im hebräischen Staat niemand Illusionen über die Sicherheitslage. Das verbietet die jüdische, speziell die deutsch-jüdische Geschichte – auch nach 1945. Dennoch weiß man in Israel die Solidaritätsbereitschaft Berlins zu schätzen.
Auch in den palästinensischen Gebieten, speziell im Westjordanland, braucht man die Unterstützung Deutschlands.
Auch in den palästinensischen Gebieten, speziell im Westjordanland, braucht man die Unterstützung Deutschlands. Das gilt nicht nur für die finanzielle Hilfe Berlins. Deutschland steht den Palästinensern politisch, wirtschaftlich, in Bildung, Kultur und Wissenschaft bei. Ideale Voraussetzungen also für die Rolle Berlins als ehrlicher Makler im Jahr 2020? Prinzipiell ja – doch der Teufel steckt im Detail. Er ist ein alter, ausgebuffter Satan.
Die wichtigsten Hindernisse eines israelisch-palästinensischen Ausgleichs sind: das Beharren auf Maximalforderungen, Uneinigkeit, Uneinsichtigkeit. Die Feststellung des ehemaligen israelischen Außenministers Abba Eban, »die Araber haben keine Gelegenheit ausgelassen, eine Gelegenheit auszulassen«, ist überholt. Die meisten arabischen Staaten haben Frieden mit Israel gemacht oder sich zumindest mit dessen Existenz abgefunden. Anders die politische Führung der Palästinenser.
Erst 1993, als er sich in der arabischen Welt vollständig isoliert hatte, stimmte Jassir Arafat dem Vermittlungsversuch Norwegens zu, der im Austausch für die Anerkennung der Existenzberechtigung Israels die Souveränität Palästinas vorsah. Doch Arafat war kein Diplomat, und er besaß keine Geduld. Er war, trotz Friedensnobelpreis, nicht bereit, endgültig der Gewalt abzuschwören. So unterstützte er die Intifada und andere bewaffnete Aktionen. Damit verspielte er Glaubwürdigkeit.
Deutschland bleibt mit Israel solidarisch und dem Frieden verpflichtet.
Dennoch wurde Arafat im Jahr 2000 in Camp David unter Vermittlung von US-Präsident Bill Clinton von Israels Ministerpräsident Barak ein »goldenes« Angebot gemacht. Jerusalem war bereit, alle besetzten Gebiete einschließlich Ost-Jerusalems zu räumen. Trotzdem ließ Arafat die Verhandlungen platzen. Das Ergebnis war ein entscheidender Rückschlag für den Frieden. Eine neue Intifada brach aus. Barak wurde abgewählt.
Nach Arafats Tod 2004 zerfiel das zerstrittene palästinensische Lager. Drei Jahre später eroberte die islamistische Hamas die Herrschaft im Gazastreifen. Die Hamas und andere islamistische Organisationen wie der Islamische Dschihad wollen Israel kompromisslos zerstören und an dessen Stelle einen islamistischen Staat errichten. Dabei werden sie vor allem vom iranischen Regime militärisch und politisch unterstützt.
status quo Der labile Status quo eines israelisch-palästinensischen Nebeneinanders sowie einer stillen Sicherheitskooperation im Westjordanland geriet durch den »Jahrhundert«-Plan des amerikanischen Präsidenten Trump und seines Schwiegersohns Kushner jedoch außer Balance. Kern der Idee: Israel könne das Jordantal sowie drei Siedlungsblöcke im Westjordanland annektieren.
Der Plan fixiert den Ist-Zustand. Das Gros der arabischen Staaten und der Palästinenser im Westjordanland hat sich mit dem israelischen Sicherheitsregime abgefunden. Stillschweigend! Doch kein Palästinenser und kein arabischer Staat wird dies offen kundtun. Die israelische Rechte und nunmehr die Regierungskoalition aber wollen die Gelegenheit zur Annexion nutzen. Ein überflüssiges Unterfangen. Denn Trump und seine Nachfolger werden ihre Zustimmung für den Plan aufgrund des Widerstands in der arabischen Welt fallen lassen.
Diplomatie muss einen langen Atem besitzen.
Deutschland ist klug beraten, in dieser volatilen Situation nicht einen offensiven Friedensmakler nach der Devise des ehemaligen US-Senators Fulbright geben und »Israel trotz Israel retten« zu wollen. Daher hat Außenminister Maas, anders als ihm vielfach nahegelegt wurde, während seines zurückliegenden Besuchs in Israel nicht versucht, Jerusalem mit Drohungen von seinen Plänen abzubringen, ehe Israel diese zu verwirklichen sucht. Diplomatie muss einen langen Atem besitzen.
frieden Deutschland bleibt mit Israel solidarisch und dem Frieden verpflichtet. Das bedeutet nach dem Verständnis Berlins die Etablierung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels. Voraussetzung sind demokratische Legitimation und Einigkeit unter den Palästinensern sowie die Bereitschaft, Israels Lebensrecht anzuerkennen.
Bis es so weit ist, wird noch viel Wasser den Jordan herabfließen. In dieser Zeit wird Berlin genug Gelegenheit haben, seine guten Maklerdienste anzubieten, statt sie aufzudrängen.
Der Autor ist Politikwissenschaftler und Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm der Roman »Lauf, Ludwig, lauf! Eine Jugend zwischen Synagoge und Fußball«.