Harvard ist eine »Ivy League«-Universität - eine der besten Bildungseinrichtungen, die Amerika und die Welt zu bieten haben. Ihre Präsidentin Caroline Gay, die das Amt erst seit Juli innehat, wird nun mit Rücktrittsforderungen konfrontiert - nach ihrer desaströsen Performance bei einer Kongressanhörung zum Thema Antisemitismus in Elite-Unis in Washington D.C.
Mehr als 70 Abgeordnete aus dem amerikanischen Repräsentantenhaus - vorwiegend Republikaner - schrieben nun einen Brief an den Verwaltungsrat der Uni. Ihre Forderung: Claudine Gay muss gehen.
Skandalöse Antworten
Sollte sie dem Druck nachgeben, so wäre sie nicht die Erste. Ihre Amtskollegin an der University of Pennsylvania, Liz Magill, trat bereits zurück. Bei der Anhörung hatten beide Präsidentinnen auf Fragen zum Thema Judenhass an ihren Institutionen skandalöse Antworten auf Fragen der Abgeordneten Elise Stefanik gegeben.
Auszug aus der Anhörung:
Elise Stefanik: »Dr. Gay, verletzen Forderungen nach einem Völkermord an Juden die Regeln der Harvard-Universität in Hinblick auf Mobbing und Belästigung? Ja oder nein?«
Caroline Gay: »Das kann sein. Es hängt vom Kontext ab.«
Elise Stefanik: »Welcher Kontext ist das?«
Caroline Gay: »Wenn man als Einzelperson angegriffen wird, beziehungsweise bei Angriffen auf Einzelpersonen.«
Elise Stefanik: »Jüdische Studenten, jüdische Einzelpersonen sind damit konfrontiert. Verstehen Sie, dass Sie sie mit Ihrer Aussage entmenschlichen? Verstehen Sie, dass Entmenschlichung Teil des Antisemitismus ist? Ich frage Sie noch ein einziges Mal: Verletzen Forderungen nach einem Völkermord an Juden die Regeln der Harvard-Universität in Hinblick auf Mobbing und Belästigung? Ja oder nein?«
Caroline Gay: »Wenn sich antisemitische Aussagen in Verhalten verwandeln, das Mobbing, Belästigung und Bedrohung enthält, handelt es sich um ein Benehmen, das eine Reaktion erfordert - und wir werden dann aktiv.«
Dreistelliger Millionenbetrag
Liz Magill hatte ebenfalls entsprechende Antworten gegeben, die das Problem des Judenhasses verharmlosten und lächerlich machten. Als Reaktion zogen sich auch Großspender zurück - mit dem Ergebnis, dass die University of Pennsylvania einen dreistelligen Millionenbetrag verlor - und ihre Präsidentin. Ähnliche Folgen könnte es nun für Harvard geben.
Im Rahmen eines Interviews mit »The Crimson«, einer auf ihrem Campus produzierten Studentenzeitung, entschuldigte sich Claudine Gay, die erste schwarze Person, die Präsidentin von Harvard wurde. Ihre Ausrede: Sie habe sich in einen Schlagabtausch über Richtlinien verwickeln lassen, hätte sich aber stattdessen auf ihre Prinzipien besinnen sollen.
Drohungen gegen jüdische Studenten hätten natürlich keinen Platz in Harvard. Für Gays Kritiker klang dies wie eine sehr plötzlich und krampfhaft eingeleitete 180-Grad-Wende, mit der sie ihren Job retten wolle.
Ob die in New York geborene, 53-jährige Akademikerin, zu deren Wissensgebieten die »Politik der Rassen und Identität« gehört, bleiben kann, ist mehr als fraglich. Ginge es nach der Harvard Alumni Association, dem Verband ehemaliger Studenten, müsste sie ihren Job behalten. Viele aktuelle Studenten der Elite-Uni sehen es genauso.
Anders könnte es bei der Harvard Corporation aussehen, einem der Führungsgremien der Institution, das heute (Ortszeit) über das berufliche Schicksal von Claudine Gay entscheiden sollte. Wackelig ist es auf jeden Fall. im