Nach der Attacke auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira in Berlin ist ein 24-Jähriger zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Das Amtsgericht Tiergarten sprach den ehemaligen Kommilitonen des Opfers der gefährlichen Körperverletzung schuldig und ging von einem antisemitischen Motiv aus.
Das Gericht ging damit deutlich über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Staatsanwalt Tim Kaufmann hatte eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gefordert. Bei der Tat handelte es sich um einen »antisemitischen Gewaltexzess«, sagte Staatsanwalt Tim Kaufmann in seinem Plädoyer. »Lahav Shapira wurde angegriffen, weil er Jude ist und sich gegen Antisemitismus einsetzte.«
Verhalten der Verteidigung sorgte für schärfere Strafe
Der Vorsitzende Richter begründete das Strafmaß unter anderem damit, dass das Geständnis von Mustafa A. nicht von Schuldeinsicht und Reue geprägt gewesen, sondern einer »Salami-Taktik« gefolgt sei.
Der Angeklagte habe nur das gestanden, was ihm bereits zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Er habe außerdem behauptet, dass er die schweren Folgen seines Angriffs nicht hätte abschätzen können, obwohl dies für einen erfahrenen Kickboxer, der Mustafa A. ist, sehr unwahrscheinlich wäre.
Brisant: Das Verhalten des Verteidigers hat laut des Vorsitzenden Richters noch strafschärfend gewirkt. Anwalt Ehssan Khazaeli habe Lahav Shapira herabgewürdigt, indem er während des Prozesses rasant geschnittene und mit Musik unterlegte Videos vorspielte, die Shapira beim Herunterreißen antisemitischer Plakate an der Freien Universität zeigen.
Angeklagter entschuldigt sich lächelnd im Schlusswort
Der Angeklagte hatte die Gewalttat vor Gericht gestanden und um Vergebung gebeten. Den Vorwurf von Antisemitismus wies der 24-Jährige jedoch zurück. »Es ging mir nicht um Politik, sondern das Miteinander unter Kommilitonen«, sagte der in Berlin geborene frühere FU-Lehramtsstudent, dessen Eltern aus dem Libanon stammen.
In seinem Schlusswort kurz bevor das Urteil gefällt wurde, entschuldigte er sich persönlich, aber lächelnd bei Shapira. »Es tut mir leid, dir Schmerzen zugefügt zu haben«, so Mustafa A. Es tue ihm auch leid, »dass dieser Fall instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen. Das war nie mein Ziel.«
Der Verteidiger von Mustafa A. plädierte wegen vorsätzlicher Körperverletzung auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie eine Geldauflage.
Shapira nimmt Entschuldigung nicht an
»Ich bin froh, dass es vorbei ist«, sagte Lahav Shapira nach der Urteilsverkündung. Das Strafmaß sei für ihn zufriedenstellend, die Entschuldigung von Mustafa A. hingegen nicht: »Ich würde das annehmen, wenn er dabei nicht gelacht hätte.«
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, nannte das Urteil »gut und gerecht«. »Ich selbst habe mich sehr stark in der vorletzten Legislaturperiode dafür eingesetzt, dass diese Strafvorschrift so auch gekommen ist«, sagte er mit Blick auf die Reform des Strafgesetzesbuches, derzufolge auch Antisemitismus strafverschärfend wirken kann. »Ich hoffe sehr, dass die generalpräventive Wirkung dieses Urteils jetzt auch Wirkung entfaltet«, so Klein.
Zufällig in einer Bar in Berlin-Mitte getroffen
Der Angeklagte und das Opfer begegneten sich am 2. Februar 2024 zufällig in einer Bar in Berlin-Mitte. Als der jüdische Student das Lokal verließ, folgte der 24-Jährige ihm, so dessen eigene Angaben. Er habe Shapira dessen Agieren in einer Whatsapp-Gruppe von Studierenden der FU vorgeworfen, und dass dieser Plakate an der FU abgerissen habe, hieß es in seinem Geständnis. Dann sei es zum Streit gekommen - und er habe zugeschlagen. Dabei habe er seine Kampfsporterfahrung unterschätzt, so der 24-Jährige.
Laut Urteil wurde der jüdische Student von seinem früheren Kommilitonen mit der Faust niedergeschlagen. Als er blutend am Boden lag, folgte mit voller Wucht ein Tritt ins Gesicht. Der 32-jährige Lahav erlitt dabei eine komplexe Mittelgesichtsfraktur und eine Hirnblutung. Er musste mehrfach operiert werden. dpa/ja