Ich war gerade bei einem Konzert, als mich eine Facebook-Nachricht von einem Freund erreichte: »Hast du das schon gesehen?« Im Anhang fand sich die Meldung, dass die Partei »Die Rechte« vom Oberbürgermeister fordert, ihr Zahlen zu den in Dortmund lebenden Juden zu nennen, aufgeteilt nach Stadtbezirken.
Diese brauche man, so die Anfrage, für den »angemessenen Umgang« mit jüdischen Menschen. Wut stieg in mir hoch. Die menschenverachtende Ideologie, die in diesem betont biederen parlamentarischen Antrag der Rechten steckt, ist offensichtlich. Schon die NS-Vorbilder der Rechtsextremisten agierten gerne mit Listen: zur Ausgrenzung, zur Planung, zur Vernichtung.
solidarität Für kurze Zeit fühlte ich mich in diesem Saal voller Menschen sehr alleine. Doch nicht lange. Denn dann sah ich, wie im Internet verschiedene Freunde diese Meldung kommentierten. Juden, Christen, Muslime, Deutsche und Ausländer, sie alle äußerten sich empört, zeigten Solidarität, machten deutlich: Das geht auch uns an. Entsprechend hat sich auch die Jüdische Gemeinde Dortmund positioniert. Von einem Reporter befragt, wie man auf die perfide Anfrage reagiere, teilte sie gelassen mit: Wir spielen dieses Spiel nicht mit. Die Rechtsextremisten werden das nicht zu unserem Problem machen, das ist ein Problem der Mehrheitsgesellschaft.
Sie hat recht. Der einzige (in Zahlen: 1) Abgeordnete der Rechten im Dortmunder Stadtrat provozierte auch schon mit Anfragen zu Kurden, Aidspatienten und anderen Menschen, die nicht ins klein-braune Weltbild passen. Das empört. Doch als faschistische Minderheit wird er es schwer haben, die demokratische Mehrheit im Dortmunder Stadtparlament auszugrenzen.
einschüchterung Es ist schlimm, dass es offen menschenverachtende, antisemitische Gruppen in deutsche Kommunalparlamente schaffen, und es fordert unseren täglichen Einsatz, uns solchen Hetzern entgegenzustellen. Doch Angst – nein, Angst haben wir Juden dabei nicht, genauso wenig wie andere freiheitlich denkende, tolerante Menschen. Wir lassen uns nicht einschüchtern durch rechtsextreme Splittergruppen, die uns hier nicht haben wollen.
Daher, liebe Rassisten, Antisemiten, Ewiggestrige: Ihr werdet euch an ein buntes, vielfältiges Deutschland gewöhnen müssen. Darauf könnt ihr zählen.
Der Autor ist freier Journalist und war Madrich in der Jüdischen Gemeinde Dortmund.