Die Offensive der Terrortruppe ISIS im Irak ist Teil eines die ganze Region erfassenden Stellvertreterkriegs zwischen den sunnitisch-arabischen Mächten und dem schiitischen Iran. Dieser Konflikt eskaliert jetzt unkontrolliert, weil sich die USA als maßgebliche Ordnungsmacht im Nahen Osten verabschiedet haben.
Kaum hatten sie die Lage im Irak nach Jahren des blutigen Chaos seit dem Sturz des Saddam-Regimes einigermaßen in den Griff bekommen, zogen die Amerikaner überstürzt ab. Mittels der ihm ergebenen Maliki-Regierung übernahm daraufhin der Iran das Regiment im Land. In der Wut des auf diese Weise ausgegrenzten sunnitischen Bevölkerungsteils finden die Dschihadisten jetzt einen Nährboden.
oppositionskräfte Weil es der Westen versäumte, die gemäßigten Oppositionskräfte gegen das mit Teheran verbündete Assad-Regime zu stärken, breitete sich die von Saudi-Arabien und Katar aufgerüstete ISIS in Syrien aus. Dem Überschwappen des syrischen Szenarios auf den Irak kann der Westen jetzt nur noch weitgehend ohnmächtig zusehen. Ob gegenüber Russlands Aggression in der Ukraine, ob gegenüber zerstörerischen, totalitären Kräften in Nahost – westliches Zurückweichen lässt die zivile internationale Ordnung kollabieren.
Israel muss der Vormarsch der Horror-Islamisten in zweifacher Hinsicht alarmieren. Zum einen droht er dem Terror gegen den jüdischen Staat einen neuen, mächtigen Schub zu verleihen – schon gar, wenn die dschihadistischen Schlächter auch noch Jordanien destabilisieren sollten, das einzige arabische Land neben Ägypten, das mit Israel Frieden geschlossen hat.
Zum anderen aber treibt die Furcht vor dem sunnitischen Terrorismus die USA in eine Kooperation mit dem Iran. Das könnte sie dazu verführen, gegenüber dem iranischen Streben nach der Atombombe Nachsicht walten zu lassen. Ein nuklear bewaffnetes iranisches Regime aber bleibt auf längere Sicht die größte Gefahr für Israels Existenz.
Der Autor ist Korrespondent für Politik und Gesellschaft der »Welt«-Gruppe in Berlin.