Das Disziplinarverfahren gegen den Essener Sozialrichter Jan-Robert von Renesse ist am Dienstag eingestellt worden. Am Vormittag einigten sich von Renesse und das Justizministerium. Von Renesse war vorgeworfen worden, bei seinem Einsatz für Ghettorentner das Ansehen der nordrhein-westfälischen Justiz beschädigt zu haben.
Der Richter hatte ein gemeinsames Treffen von Sozialrichtern und Rentenversicherungsträgern als einen Eingriff der Versicherer auf Kosten der Ghettorentner gebrandmarkt. Die überraschende Einigung hatte sich in den vergangenen Tagen angekündigt, nachdem eine für Dienstag geplante Verhandlung vor dem zuständigen Richterdienstgericht kurzfristig abgesagt worden war.
stellungnahme Ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Justizministeriums sagte, man habe sich auf ein für alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis verständigt. Von Renesse, der auch künftig als Richter am Landessozialgericht in Essen tätig sein wird, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Schon bei einem ersten Termin vor dem Richterdienstgericht in Düsseldorf im März hatte der Richter beide Seiten eindringlich aufgefordert, sich außergerichtlich zu einigen. Sein damaliger Hinweis auf den drohenden internationalen Reputationsverlust des Landes Nordrhein-Westfalen blieb am Ende langer und komplizierter Verhandlungen, die von dem beschuldigten Richter in der vergangenen Woche bereits für gescheitert erklärt worden waren, dann offenbar nicht ohne Wirkung.
Denn von Renesses Einsatz für die Ghettorentner hatte weltweit Aufmerksamkeit erregt: Als erster Richter fuhr er nach Israel, um mit hochbetagten Überlebenden der Ghettos zu sprechen. Mit einer erfolgreichen Bundestagspetition sorgte von Renesse auch dafür, das Renten rückwirkend ausgezahlt wurden.
zentralrat Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßte die Einigung. Zugleich drückte er seine Hoffnung aus, dass von Renesse für seine berufliche Zukunft keinen Schaden davontrage. »Herr von Renesse hatte sich in vorbildlicher Weise für die Rechte der ehemaligen Ghettoarbeiter eingesetzt. Er genießt in der jüdischen Welt hohes Ansehen und Respekt«, sagte Schuster. Anfang September hatte sich Schuster zusammen mit den Aktivisten Beate und Serge Klarsfeld und dem Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) mit einem Offenen Brief an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mit der Bitte gewandt, das Verfahren gegen von Renesse einzustellen.
Mit Erleichterung nahm auch die Claims Conference die Einstellung des dienstrechtlichen Verfahrens gegen den Richter zur Kenntnis. »Eine außergerichtliche Einigung ist ein gangbarer Weg für die vollständige Rehabilitierung Jan-Robert von Renesses«, sagte Rüdiger Mahlo, Repräsentant der Claims Conference in Deutschland. »Sein mutiger und empathischer Einsatz für die Rechte der Überlebenden verdient Lob und Anerkennung, nicht Tadel und Strafe. Ein Schuldspruch hätte das Ansehen der deutschen Justiz international nachhaltig beschädigt«, sagte Mahlo.