Wuligers Woche

Diplomatischer Stinkefinger

Außenminister Sigmar Gabriel und seine Diplomaten sind gut darin, Unfreundlichkeiten freundlich auszudrücken. Beim Thema Israel haben sie diese Kunst perfektioniert. Foto: Thinkstock

Diplomaten sind höfliche Menschen. Das gehört zu ihrem Beruf. Schon in der Attaché-Ausbildung lernen die künftigen Auslandsvertreter die hohe Kunst, Unfreundlichkeiten freundlich auszudrücken und dabei trotz aller eleganten Umschreibung nie Zweifel an der inhaltlichen Stoßrichtung zu lassen.

Wenn also das Auswärtige Amt in Berlin, wie vergangenen Samstag, eine offizielle Erklärung zur aktuellen Lage in Nahost abgibt, steht darin selbstverständlich nicht, »die Israelis haben den Terrorismus selbst zu verantworten, weil sie die Palästinenser unterdrücken«. So sprechen vielleicht Stammtischbrüder oder Leitartikler in den Medien. Der Diplomat formuliert es geschliffener: »Wir verurteilen die heimtückische Ermordung von drei Mitgliedern einer israelischen Familie im besetzten Westjordanland.«

Der Kern des Satzes ist die Ortsmarke »im besetzten Westjordanland«. Besatzung und Siedlungen sind nach deutscher Lesart völkerrechtswidrig. Der 70-jährige Yosef Salomon, sein Sohn Elad und seine Tochter Chaya hatten als Israelis im Westjordanland nichts zu suchen. Hätten sie sich an das Völkerrecht gehalten, wäre ihnen nichts passiert. Die Opfer trifft eine gewisse Mitschuld.

Äquidistanz »Auch die gewaltsamen Auseinandersetzungen, die drei Menschenleben und so viele Verletzte gefordert haben und die Ost-Jerusalem und andere Orte des Westjordanlands erschütterten, verurteilen wir«, heißt es in der Erklärung weiter. Die Ursache der Auseinandersetzungen – gewalttätige Angriffe eines arabischen Mobs, nachdem Palästinenserpräsident Abbas einen »Tag des Zorns« ausgerufen hatte – wird nicht benannt. Für das Auswärtige Amt sind offenbar beide Seiten gleichermaßen verantwortlich. Politologen nennen das »Äquidistanz«, sprich: das Bemühen, in einem Konflikt gleich großen Abstand zu beiden streitenden Parteien zu wahren.

Perfide dabei ist das »auch« am Satzanfang. Es ist ein »auch«, wie es in Tu-quoque-Argumentationen – heutzutage auch als »Whataboutism« bekannt – Verwendung findet: Ja, Israelis sind ermordet worden, aber Araber sind ebenfalls zu Tode gekommen. Damit werden von israelischen Sicherheitskräften in Selbstverteidigung getötete gewalttätige Aufrührer den Ermordeten von Halamisch moralisch gleichgestellt. Allesamt und gleichermaßen werden sie als »Opfer« eingestuft. »Wir trauern mit den Familien der Opfer und sind in Gedanken bei den Angehörigen.«

Hilfreich bei der Äquidistanz ist auch die Arithmetik. Das Auswärtige Amt nennt in ein und demselben Satz die »Ermordung von drei israelischen Staatsangehörigen (...) und (die) gewaltsamen Auseinandersetzungen (...), bei denen drei Palästinenser getötet wurden«. Drei zu drei: Die Partie steht sozusagen unentschieden. Abpfiff des Schiedsrichters aus Berlin.

Ebenfalls gemeldet wurde übrigens vorige Woche, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Nahostpolitik der EU-Staaten als »absolut verrückt« bezeichnet hat. Wie der Mann nur darauf kommt?

Jerusalem

Netanjahu reagiert auf Wahlsieg von Merz

Auch Außenminister Gideon Saar äußert sich zum Ausgang der deutschen Bundestagswahlen

 23.02.2025

Berlin

Jüdische Vertreter erschrocken über AfD-Ergebnis

Jeder Fünfte hat bei der Bundestagswahl seine Stimme der AfD gegeben. Jüdische Vertreter äußern große Sorge

von Joachim Heinz  23.02.2025

Reaktion

Charlotte Knobloch: »Deutschland ist ab heute ein anderes Land« 

Die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch sieht im Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl ein Fanal

 23.02.2025

Bundestagswahl

Mehrheit will Regierung ohne AfD, Linke bei Jungen vorn

Mehr Männer stimmen für die Union als Frauen, und bei den jüngsten Wählern liegen Linke und AfD vorn. Doch es gibt noch weitere Erkenntnisse aus den Wahlanalysen.

 23.02.2025

Bundestagswahl

Schuster: »Erschrocken über den Wahlerfolg der AfD«

Der Präsident des Zentralrates der Juden appelliert an die politische Mitte »realistische Lösungen für die drängenden Probleme unseres Landes« zu lösen

 23.02.2025

Kommentar

Hoffnung auf einen wirklichen Wechsel

Nach dem Scheitern der Ampel-Regierung werden SPD, Grüne und FDP abgestraft. Was es nun braucht

von Philipp Peyman Engel  23.02.2025

Bundestagswahl

Weidel schließt Aufnahme des »freundlichen Gesichts des NS« nicht aus

Noch 2021 wurde Matthias Helferich wegen seiner Sympathien für den Nationalsozialismus nicht in die Fraktion der AfD aufgenommen. Das will die Parteichefin am Wahlabend nicht erneut garantieren

 23.02.2025

Bundestagswahl

Merz siegt, Scholz am Boden: Was das Wahlergebnis bedeutet

Die wichtigsten Fragen und Antworten

 23.02.2025

Bundestagswahl

Union gewinnt Bundestagswahl vor AfD – Fiasko für die SPD

Die Union triumphiert und dürfte mit Merz den Kanzler stellen. Für die SPD ist es eine historische Pleite. Die AfD verdoppelt ihr Ergebnis. Die Linke bleibt im Parlament, FDP und BSW zittern

 23.02.2025 Aktualisiert