Schon aus der Ferne merkt man, dass an diesem Montagmorgen kein gewöhnlicher Besucher im Vatikan zu Gast ist. Hubschrauber kreisen über dem Kleinstaat, die zum Petersplatz führende Via della Conciliazione ist vollständig abgeriegelt. An den Straßenecken stehen Zivilbeamte mit Knopf im Ohr, die Ausschau halten nach verdächtigen Personen.
Die verschärften Sicherheitsvorkehrungen gelten US-Außenminister Antony Blinken, der bei einer mehrtägigen Europareise in Rom halt macht. Während die Polizei die Umgebung sichert, nimmt er sich Zeit für eine Privatführung durch die Sixtinische Kapelle. Später schwärmt er via Twitter von der »spirituellen Atmosphäre«. Die eindrucksvolle Architektur und die »göttliche Kunst« hätten ihn sprachlos gemacht.
Blinken ist freilich nicht als Tourist in den Vatikan gereist. Als ranghoher Vertreter der neuen US-Administration soll er einen diplomatischen Neustart zwischen den USA und dem Vatikan in die Wege leiten. Unter Ex-Präsident Donald Trump waren die Beziehungen an einem Tiefpunkt angelangt. Als der frühere Außenminister Mike Pompeo im Oktober in der Ewigen Stadt war, ließ man ihn nur zu Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vor. Die Bitte um ein Gespräch mit Papst Franziskus wurde abgelehnt.
Mit der Amtsübernahme des Katholiken Joe Biden setzte Tauwetter ein. Die vatikanischen Medien, die im US-Wahlkampf keine Gelegenheit für Trump-kritische Beiträge ausließen, berichten nun deutlich wohlwollender über die Vereinigten Staaten. Besonders gut kommt an, dass Biden dem Klimaschutz einen höheren Stellenwert einräumt.
An den grundlegenden Leitlinien der US-Außenpolitik hat sich indes wenig gerändert. Der vatikanische Annäherungskurs an China wird in Washington weiterhin ausgesprochen kritisch beobachtet. Dennoch ist man bemüht, Zeichen des Entgegenkommens zu setzen. Und der Vatikan ist nach jahrelanger diplomatischer Konfrontation ebenso bereit für einen Neuanfang: 40 Minuten lang darf Blinken mit dem Papst sprechen - eine Ehre, die Außenministern eher selten zuteil wird. Unterredungen mit Kardinal Parolin und dem päpstlichen Außenbeauftragten, Erzbischof Paul Gallagher, stehen ebenfalls auf dem Programm.
Vatikansprecher Mario Bruni bezeichnet die Atmosphäre im Nachgang als »herzlich«. Franziskus habe an seine USA-Reise im Jahr 2015 erinnert und seine Verbundenheit zu den Amerikanern zum Ausdruck gebracht. Blinken versichert, man werde die Zusammenarbeit auf der Basis gemeinsamer Werte fortsetzen, um humanitäre Krisen in aller Welt zu überwinden. Das State Department teilt ergänzend mit, dass auch die heikle Menschenrechtslage in China thematisiert worden sei. Mehr Details dringen nicht nach außen.
Kritische Worte zum 2018 geschlossenen und 2020 verlängerten vatikanisch-chinesischen Abkommen zur Ernennung von Bischöfen fallen nicht. Auch das ist kennzeichnend für den neuen Stil, der Einzug gehalten hat. Blinken-Vorgänger Pompeo warf dem Vatikan im vergangenen Jahr öffentlich vor, durch den Vertrag mit dem kommunistischen Regime seine moralische Autorität aufs Spiel zu setzen. Ein solcher Affront bliebt diesmal aus.
Zur Entspannung dürfte beigetragen haben, dass Präsident Biden jetzt wohl doch nicht mit der Aberkennung seiner »Eucharistie-Würdigkeit« rechnen muss. Die US-Bischofskonferenz sorgte jüngst mit der Ankündigung eines Lehrschreibens zu der Thematik für Aufsehen. Kritiker befürchteten, der Schritt könnte darauf abzielen, Joe Biden und anderen katholischen Politikern wegen ihrer liberalen Haltung zur Abtreibung die Kommunion zu verweigern.
Mittlerweile stellten die Bischöfe klar, dass sich das Dokument nicht gegen einzelne Personen oder Gruppen richten werde. Zu einer persönlichen Brüskierung des Präsidenten durch die Kirche wird es also wohl nicht kommen. Zu verdanken ist dies allem Anschein nach dem Vatikan, der das US-Episkopat in der Angelegenheit mehrfach zu einer überlegten Gangart gemahnt hat. Der diplomatische Neustart zwischen der Biden-Regierung und dem Vatikan - er ist fürs Erste geglückt.