Berlin-Neukölln

Diplomatenbesuch in der Sonnenallee

Nach anti-israelischen Aktionen macht sich Israels Botschafter Ron Prosor ein eigenes Bild von dem Problemkiez

von Joshua Schultheis  15.06.2023 08:37 Uhr

Martin Hikel und Ron Prosor (r.) Foto: picture alliance/dpa

Nach anti-israelischen Aktionen macht sich Israels Botschafter Ron Prosor ein eigenes Bild von dem Problemkiez

von Joshua Schultheis  15.06.2023 08:37 Uhr

Am Montag besuchte ein ungewöhnlicher Gast die Sonnenallee in Berlin-Neukölln. Der Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Ron Prosor, hatte zuvor harte Worte für den stark von vielen arabischsprachigen Einwohnern geprägten Kiez gefunden.

»Als ich vor einem knappen Jahr hier angekommen bin, hätte ich nicht erwartet, dass die Straßen von Neukölln denen von Gaza derart ähneln«, hatte der Diplomat am Mittwoch vergangener Woche auf Twitter geschrieben. Nun wollte er sich von dem Bezirk, der immer wieder wegen israel- und judenfeindlicher Vorfälle in den Schlagzeilen ist, selbst ein Bild machen.

Unmittelbarer Anlass für Prosors Besuch waren israelfeindliche Plakate, die rund um die Sonnenallee gesichtet wurden und deutschlandweit für Empörung sorgten. Auf einem der Plakate wurden Raketenangriffe auf Israel begrüßt, auf anderen Spenden für palästinensische »Märtyrer« gesammelt. Einige der Poster gehen eindeutig auf die Gruppe »Samidoun« zurück, einen Ableger der terroristischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Prosor forderte öffentlich, Samidoun in Deutschland und der Europäischen Union als Terrororganisation zu listen.

forderung Als der Botschafter, umringt von Polizei und Sicherheitspersonal und im Beisein des Bezirksbürgermeisters Martin Hikel (SPD), an einer Straßenkreuzung der Sonnenallee stand, wiederholte er seine Forderung und sagte: »Samidoun nutzt und missbraucht die deutsche Demokratie wie ein trojanisches Pferd.« Seine Geduld mit den Verantwortlichen ist offenbar am Ende: »Worte sind nicht mehr genug, man muss jetzt handeln«, sagte der Diplomat. Zugleich betonte er: »Die Mehrheit der Neuköllner ist anständig.«

Hikel schloss sich der Forderung Prosors nach einer Terrorlistung und einem Verbot Samidouns an. Er beschrieb Neukölln als »Einfallstor« für die Aktivitäten der Gruppe. Hikel machte aber deutlich, dass auch er der Ansicht ist, dass die meisten Menschen in seinem Bezirk Hass gegen Israel und Juden ablehnten. Das Vorgehen gegen Antisemitismus in Neukölln nannte Hikel einen »sehr langen Kampf«.

Zu diesem gehören für ihn neben Repressionen gegen Gruppen wie Samidoun vor allem eine Bildungsstrategie gegen Antisemitismus sowie ein verstärkter Austausch zwischen Israelis und Neuköllnern. Mit dem Botschafter sprach er über eine Intensivierung des Jugend- und Schüleraustauschs zwischen dem Berliner Bezirk und dem jüdischen Staat. Neukölln hat eine Städtepartnerschaft mit Bat-Yam in der Nähe von Tel Aviv.

protest Nach kurzen Pressestatements gingen Martin Hikel und der israelische Botschafter gemeinsam durch die Sonnenallee, vorbei an mehreren palästinensischen Flaggen, die von Häusern hingen oder an Bäume gemalt waren. Einige Anwohner grüßten ihren Bürgermeister, während Prosor offenbar weitgehend unerkannt blieb. Doch als sich die beiden in einer Nebenstraße der Sonnenallee in ein Café setzten, blieb ein paar Gästen am Nachbartisch offenbar nicht verborgen, mit wem sie es zu tun hatten. Sie nutzten die Gelegenheit für einen spontanen Protest und schrieben »Free Palestine« auf eine Serviette.

Der israelische Botschafter ließ sich davon nicht beirren und sprach von einer »angenehmen Zeit«, die er in Neukölln verbracht habe. Er wolle bald wiederkommen.

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