Herr Maffay, Sie werden am Sonntag zur Eröffnung der diesjährigen »Woche der Brüderlichkeit« mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?
Als ich las, welch große Persönlichkeiten diese hohe Auszeichnung bereits erhalten haben, habe ich einen Moment lang daran gezweifelt, dass der Brief richtig adressiert ist. Das sind Menschen, die beinahe ihr ganzes Leben ihrem Land, ihrem Glauben oder der Weltgemeinschaft gewidmet haben. Eine Ehrung wie diese ist stets das Resultat aus dem gemeinsamen Wirken vieler Menschen, Mitstreiter, Partner und Weggefährten. Deshalb nehme ich diese ehrenvolle Auszeichnung gerne stellvertretend für unser ganzes Team entgegen.
Sie werden für Ihr Eintreten gegen antisemitische und rassistische Tendenzen ausgezeichnet. Was ist die Motivation Ihres Engagements?
Immer, wenn im gesellschaftlichen und politischen Leben Differenzen oder Defizite gravierender Art auftreten, ist es wichtig, dass es Leute gibt, die die Funktion von Ausrufezeichen oder Leuchttürmen übernehmen. Es wird nur etwas passieren, wenn Aufklärungsarbeit geleistet wird und wenn genügend Menschen da sind, die die Dinge beim Namen nennen. Künstler – ob nun Musiker, Maler, Bildhauer, Dichter –, aber auch Journalisten und alle, die Inhalte multiplizieren, sind aufgefordert, sich zu positionieren.
Rechtspopulisten haben dennoch immer mehr Zulauf. Was läuft schief?
Nicht allein der Rechtsextremismus muss uns Sorge bereiten, sondern Extremismus und Fanatismus jeder Couleur, sei er politisch oder religiös motiviert. Wir haben unseren gesellschaftlichen Konsens verloren, den gemeinsamen Wertekanon. Politiker und Parteien sowie Teile der Wirtschaft haben in jüngster Zeit viel Vertrauen verspielt, ebenso manche Sportfunktionäre und einige Kirchenvertreter. Die Menschen haben das Gefühl, dass der Eigennutz im Vordergrund steht und nicht das Gemeinwohl.
Das Thema der Woche der Brüderlichkeit lautet »Angst überwinden – Brücken bauen«. Wie verstehen Sie das Motto?
Es geht nicht mehr nur um den Dialog von Christen und Juden, sondern um das respektvolle, friedliche Miteinander aller Religionen und Glaubensgemeinschaften, aller Nationalitäten und Menschen jeder Hautfarbe. Um das zu erreichen, gibt es aus meiner Sicht keine Alternative zum Grundsatz: Auf gleicher Augenhöhe! Wenn man möchte, dass aus Gegnern Partner werden, wird es anders nicht gehen. Dazu braucht es immer einen, der den Mut hat, den ersten Schritt zu tun. So wie es Juden und Christen in Deutschland getan haben. Deren Zusammenarbeit, wie sie sich in der Woche der Brüderlichkeit manifestiert, ist wegweisend und beispielgebend. Ich wünsche mir, dass wir von diesem Geist etwas in alle Bereiche der Gesellschaft tragen können.
Das Interview mit dem Musiker führte Detlef David Kauschke.