In der Herbstkollektion 2017 präsentierte das italienische Luxuslabel Miu Miu Kleidungsstücke mit einem gelben fünfzackigen Stern. Die Applikation weist trotz ihrer fünf Zacken nicht zu übersehende Ähnlichkeiten mit dem sechszackigen Zwangsabzeichen auf, das als Symbol der Entrechtung und Verfolgungspolitik im Nationalsozialismus bekannt ist.
Nach Kritik einer Bloggerin namens »Jewish Chick« entschuldigte sich Miu Miu und nahm die Mode aus dem Sortiment. Ein politisches Statement sei nicht beabsichtigt gewesen, hieß es, man sei dankbar, darauf aufmerksam gemacht worden zu sein.
narrativ Das sind nicht die ersten Kleidungsstücke, die mit NS-Symbolik provozieren. Es sind aber die altbekannten Assoziationsketten, die uns mit Fragen oder auch Dilemmata heimsuchen. Das kollektive historische Wissen schafft – in der Theorie – ein gemeinsames Narrativ der Post-Holocaust-Gesellschaft. Dennoch ist es die Frage der Perspektive. Die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus ist nämlich nicht geteilt, sondern gespalten.
Der Gelbe Stern evoziert bei Überlebenden und ihren Nachkommen offenbar andere Verbindungen als bei Angehörigen der nicht-jüdischen Mehrheit. Bei einigen scheint das Symbol sogar keine geschichtlichen Assoziationen hervorzurufen. Der jüdische Musiker Billy Joel hat just zur selben Zeit das Zeichen zum politischen Protest getragen. Im Unterschied zu Mit Miu war dies jedoch eine bewusst eingesetzte Inszenierung.
Die Gedächtnisse der damals Verfolgten unterscheiden sich von jenen, die nicht verfolgt wurden. Der Stern mit dem Wort Jude darin ist nicht nur ein historisches Zeichen, sondern eine Gefühlserbschaft, die zwischen Generationen liegt und bis heute ihre Wirkung entfaltet. Die Vergangenheit darf immer noch Ansprüche an uns stellen, die wir nicht einfach so übergehen können. Insbesondere dann nicht, wenn dieses Symbol der Entrechtung in einschlägigen Medien unreflektiert als »Judenstern« bezeichnet wird.
Die Autorin leitet das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der ZWST.