Meinung

Die Täter als Opfer

Die Orbán-Regierung will Ungarn von jeglicher Verantwortung reinwaschen

von Rabbiner Joel Berger  20.01.2014 18:05 Uhr

Foto: dpa

Die Orbán-Regierung will Ungarn von jeglicher Verantwortung reinwaschen

von Rabbiner Joel Berger  20.01.2014 18:05 Uhr

Das Jahr 2014 mit seinen vielen Gedenktagen brachte die ungarische Regierung auf die Idee, die Vergangenheit der Magyaren in der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu retuschieren und umzuschreiben. 70 Jahre nach der Deportation der ungarischen Juden soll ein neues »Erinnerungspolitisches Konzept« her, das Land und Leute von Verantwortung und Mitschuld freispricht.

Daher will die Regierung am 19. März, dem 70. Jahrestag der deutschen Besatzung Ungarns, ein Denkmal aufstellen, um kundzutun, dass Ungarn in Folge der Besatzung seine Unabhängigkeit eingebüßt hatte und nicht mehr selbstständig handeln konnte. Die beispiellos schnell und grausam durchgeführte Deportation und Vernichtung von 600.000 Juden im Lande wäre dann das alleinige Werk der Deutschen gewesen.

Widerstand Eine Geschichtsfälschung soll also in das europäische Bewusstsein geschmuggelt werden, eine vorsätzliche Verdrehung der Fakten. Dabei waren Deutschland und Ungarn verbündete Staaten. Der Reichsverweser Miklós Horthy hätte als Zeichen seines Widerstands abdanken können, aber er legitimierte persönlich die Anwesenheit der deutschen Truppen. Seine Regierung verordnete in schnellem Rhythmus die Gesetze und Verordnungen gegen die Juden aus der ungarischen Provinz, ihre Ghettoisierung und Deportation inbegriffen.

Häufig hört man, dass Horthy die Juden Budapests vor der Deportation geschützt habe. Doch auch dies ist eine Entstellung der Geschichte. Die Gendarmerie bereitete sich im Juli 1944 auf die Deportation der etwa 200.000 Juden der Hauptstadt vor. Es war jedoch so, dass die USA durch die neutralen Vertretungen eine Botschaft an Horthy gesandt hatten: Sollten auch die Budapester Juden deportiert werden, würde die Hauptstadt von den Alliierten bombardiert und vernichtet werden. Diese Botschaft wie auch die Kriegslage brachten Horthy dazu, die Deportationen einzustellen.

Die gegenwärtige Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán verfolgt eine Geschichtspolitik, die die Ungarn von jeglicher Verantwortung reinwaschen soll. Mit den Gedenkfeiern und dem Mahnmal soll 1944 zum Jahr der »tapferen ungarischen Judenretter« umgedeutet werden.

Unzählige Fakten und Dokumente sowie die noch lebenden Zeitzeugen beweisen jedoch das Gegenteil: Die meisten Ungarn waren aktive Mittäter bei der Ausplünderung und Vernichtung der Juden.

Der Autor ist 1937 in Budapest geboren und war viele Jahre Landesrabbiner in Stuttgart.

Washington D.C.

Netanjahu berät über Verhandlungen der Hamas

Die Verhandlungen über die zweite Phase des Geisel-Deals hätte schon am Montag beginnen sollen

 04.02.2025

Kommentar

Hoffen wir, dass Donald Trump einen Plan hat

Der US-Präsident hätte nichts dagegen, wenn Israel Teile des Westjordanlands annektieren würde. Was will er damit bezwecken?

von Nils Kottmann  04.02.2025

Interview

»Es wäre zu schwer, um es weiterhin an meiner Jacke zu tragen«

Der Schoa-Überlebende Albrecht Weinberg möchte sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben - aus Protest gegenüber dem Antrag der Unionsfraktion zur Asylpolitik

von Christine Schmitt  04.02.2025

Kassel

Kunsthochschule zeigt Terror-verherrlichende Ausstellung

Die Hochschule bot einem Mann eine Plattform, der einen Hamas-Terroristen zum »Superhelden« erklärte. Jüdische Studenten sind entsetzt

von Imanuel Marcus  04.02.2025

Berlin

»Es gibt einen Judenhass, der uns alle tief beschämt und gegen den wir bisher viel zu zögerlich vorgegangen sind«

Wo bleibe der Aufstand der Anständigen bei dieser Ausprägung des Antisemitismus, fragt der CDU-Chef

 04.02.2025

Berlin

Merz schließt jede Zusammenarbeit mit AfD aus

Der CDU-Chef erneuert auf dem Wahlparteitag ein klares Versprechen

von Jörg Blank  04.02.2025

Meinung

Das erdrückende Schweigen der »Anständigen« beim Thema Antisemitismus

Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus und skandieren »Nie wieder ist jetzt«. Doch beim Antisemitismus sind sie erstaunlich still

von Ralf Balke  03.02.2025

TV-Kritik

»Diese ganze Holocaust-Anheftung an die AfD ist nervtötend«

AfD-Chefin Alice Weidel fiel bei »Caren Miosga« erneut mit fragwürdigen Aussagen zur NS-Zeit auf

von Michael Thaidigsmann  03.02.2025

Nach Interview-Eklat

»Schämen Sie sich!« - Ron Prosor kritisiert »Spiegel«

Der israelische Botschafter wirft dem Nachrichtenmagazin vor, es habe einem »von Selbsthass zerfressenen« Israeli die Bühne überlassen – und dies ausgerechnet am Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

von Imanuel Marcus  03.02.2025