Interview

»Die Steine zum Sprechen bringen«

Stephan Dorgerloh Foto: dpa

Herr Minister, Sie sind als Vorsitzender der Kultusministerkonferenz in Yad Vashem. Worum geht es bei Ihrem Besuch?
Wir führen zum einen zahlreiche Gespräche mit Kollegen aus der Politik, mit Pädagogen und Historikern. Und wir unterzeichnen eine Erklärung der 16 deutschen Bundesländer als Fundament für die künftige Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Yad Vashem, um die vor uns liegenden Herausforderungen zu meistern. Das ist eine neue Qualität. Bislang gab es nur Vereinbarungen einzelner Länder, jetzt sind alle mit dabei.

Welche Herausforderungen meinen Sie?
Das sind zum Teil ganz praktische Fragen. Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die authentisch berichten können, was während der Schoa passiert ist. Aber wir haben authentische Orte in jedem Bundesland. Es sind Orte des Leidens, hier müssen wir überlegen, wie wir die »Steine zum Sprechen« bringen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass wir viele Schüler mit Migrationshintergrund haben. Da gibt es ganz unterschiedliche Familien- und auch Kulturgeschichten. Die Frage ist, wie wir hier die Verantwortung für deutsche Geschichte und ganz besonders für die Schoa wahrnehmen und dies vermitteln.

Haben Sie in Israel dazu etwas erfahren?
Ja, auch in Israel steht diese Frage auf der Tagesordnung. Auch Israel ist ein Einwanderungsland, und für viele jüdische Zuwanderer steht die Schoa nicht mehr so sehr im Mittelpunkt wie etwa für diejenigen, die aus Europa stammen.

Deutschland hat sich sehr verändert. Gehört das mit zu den Herausforderungen, von denen Sie sprechen?
Natürlich, denken Sie an das, was wir seit der Fußball-WM 2006 beobachten: das neue Nationalgefühl in Deutschland. Menschen schwingen schwarz-rot-goldene Fahnen und bekennen sich stolz zu diesem Land. Das war ja früher undenkbar, und damit müssen wir umgehen lernen.

Können Sie das konkretisieren?
Die Gedenkstätte Yad Vashem hat seit Kurzem einen sehr guten deutschsprachigen Online-Auftritt. Wir wollen klären, wie wir diesen beispielsweise in der Lehrerfortbildung nutzen können. Von großem Interesse ist zudem, welche Bilder von Deutschland und Israel in den jeweiligen Schulbüchern vermittelt werden.

Welche Veränderungen sehen Sie da?
Wir erleben, dass viele junge Israelis nach Berlin gehen. Das ist eine wachsende Community, und es bringt spannende Diskussionen mit der Generation der Großeltern mit sich, wie sich das Deutschlandbild verändert hat.

Und das Israelbild in Deutschland?
Wir müssen achtgeben, dass der Austausch nicht nachlässt. Oft finden sowohl Lehrer- als auch Schüleraustausch nur noch in den Ferien statt. Früher war es üblich, dass auch zu Schulzeiten gereist wurde. Wir brauchen mehr Begegnung und weniger Hürden.

Mit dem Bildungsminister von Sachsen-Anhalt sprach Martin Krauß.

Kriminalität

»Schwachkopf«-Post zu Habeck: Jetzt melden sich die Ermittler zu Wort

Ein Mann soll Wirtschaftsminister Habeck im Netz beleidigt haben. Dass dann die Polizei zu Besuch kam, sorgte nicht nur im Umfeld des Vizekanzlers für Verwunderung. Die Ermittler liefern Erklärungen

von Frederick Mersi  22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024

Debatte

Theologen werfen Papst einseitige Sicht auf Nahost-Konflikt vor

Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthalte einen »blinden Fleck im Denken«

 22.11.2024

Debatte

CDU-Ministerpräsident verurteilt Haftbefehl gegen Netanjahu

»Völlig ausgeschlossen, dass ein demokratisch gewählter Ministerpräsident aus Israel auf deutschem Boden verhaftet wird, weil er sein Land gegen Terroristen verteidigt«

 22.11.2024

CDU/CSU

Unionspolitiker: Verhaftung von Netanjahu auf deutschem Boden »unvorstellbar«

Die größte Oppositionsfraktion kritisiert die fehlende Haltung der Bundesregierung

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Internationaler Strafgerichtshof

»Halten uns an Recht und Gesetz«: Jetzt äußert sich die Bundesregierung

Außenministerin Annalena Baerbock will aber noch genauer prüfen, was der Entscheid des IStGH bedeutet

 22.11.2024

Budapest

Orbán: »Werde Netanjahu nach Ungarn einladen«

Regierungschef Viktor Orbán will seinen israelischen Amtskollegen trotz des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofes weiter empfangen

 22.11.2024

Atomprogramm

Iran kündigt Ausbau der Urananreicherung an

Der Atomstreit mit dem Iran geht in eine neue Runde

 22.11.2024