Die Europäische Union hat eine neue Außenbeauftragte. Seit dem 1. November hat die 41-jährige Federica Mogherini, die bisherige italienische Außenministerin, dieses Amt inne. Am heutigen Donnerstag reist sie zu einem kurzen Trip nach Polen, um dann in Israel und den palästinensischen Gebieten Gespräche zu führen. »Ganz sicher werde ich nach Brüssel ein starkes Engagement für den Nahen Osten mitbringen«, hatte Mogherini wenige Tage vor ihrem Amtsantritt gesagt. Sie plädiert dafür, dass die EU »politischen Druck« auf beide Seiten ausübt, damit es bald zu einem Palästinenserstaat kommt.
Trotz solcher Äußerungen, die stark an ihre Vorgängerin, die Britin Catherine Ashton, erinnern, beurteilt man in Jerusalem die Neue in Brüssel optimistisch. »Sie ist sehr offen und scheint bereit zu sein, unsere Position anzuhören«, sagt ein israelischer Spitzenbeamter, der anonym bleiben möchte. »Wir hoffen sehr, dass sie eine ausgewogenere Politik der EU vertreten wird.« Die Renzi-Regierung in Italien sei recht fair zu Israel, daher gebe es Hoffnung, dass Mogherini diese Linie auch in Brüssel fortsetzen werde. »Die Tatsache, dass ihr erster Besuch uns gilt, sagt doch schon einiges.«
siedlungen Allerdings hat nicht die EU-Außenbeauftragte das letzte Wort in politischen Fragen, sondern die Außenminister der 28 Mitgliedsstaaten. Die Beziehungen zwischen Jerusalem und der EU waren in den letzten Monaten schwierig. Die Ankündigung von Premierminister Netanjahu, außerhalb der sogenannten 67er-Grenzen Siedlungen bauen zu lassen, hat die EU verärgert.
Aber die EU droht nicht nur mit der Peitsche von Sanktionen, sie lockt auch mit Zuckerbrot. Wenn Israelis und Palästinenser zum Frieden finden, verspricht die EU beiden Seiten eine »besondere privilegierte Partnerschaft«. Das bedeutet Unterstützung in finanzieller, politischer und sicherheitspolitischer Hinsicht.
gaza-wiederaufbau Am 6. Oktober, wenige Tage nach ihrer Nominierung, nahm Mogherini an einem Hearing im Europäischen Parlament teil. Im Nahen Osten sei die EU ein »effective payer« und sollte auch ein »effective player« werden – nicht nur zahlen wolle man, sondern auch mitbestimmen. »Wenn es einen politischen Willen zur Lösung des Konflikts gibt, dann findet sich auch eine technische Lösung«, sagte Mogherini. »Daher glaube ich, dass wir politischen Druck ausüben können.«
Als ersten Schritt schlug Mogherini vor, die Palästinensische Autonomiebehörde solle wieder die Kontrolle über den Gazastreifen erhalten. Die EU könne dafür sorgen, dass die Investitionen in den Wiederaufbau nicht zu militärischen Zwecken missbraucht würden. »Wir müssen hier die israelischen Bedenken ernst nehmen.«
Ob der Optimismus in der israelischen Politik über die Nachfolgerin von Catherine Ashton gerechtfertigt ist, wird sich vermutlich bald herausstellen. Es ist möglich, dass Israel dann erkennt, dass jemand, der die EU vertritt, anders sprechen wird als jemand, der das Amt der italienischen Außenministerin bekleidet.
Der Autor ist Korrespondent der Onlinezeitung »Times of Israel«