Europäische Union

»Die klopfen auch an eure Tür«

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, empfing am Mittwoch Angehörige der Geiseln in Brüssel Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Der Sitzungssaal ASP3E2 des Europäischen Parlaments ist längst bis auf den letzten Platz besetzt, als Israels Außenminister Eli Cohen und Angehörige von fünf von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Familien eintreten.

Sie richten einen flammenden Appell an die Europäische Union: »Helft unseren Angehörigen, macht bitte etwas!« Cohen formuliert es etwas diplomatischer: »Ich bitte Sie, sich in der Forderung nach sofortiger Freilassung der Geiseln einig zu sein.«

Yoni Asher ist einer von Fünf, die in die europäische Hauptstadt gekommen waren. Seine Frau Doron und die beiden gemeinsamen Töchter Aviv (2) und Raz (4) hat Asher zuletzt vor fünf Wochen gesehen. Die drei waren zu Besuch bei der Schwiegermutter im Kibbuz Nir Oz, als am 7. Oktober Terroristen der Hamas dort eindrangen und sie als Geiseln nach Gaza mitnahmen. Ashers Schwiegermutter wurde auch von den Terroristen mitgenommen, starb aber kurze Zeit später. Yoni Asher selbst war an jenem Tag zuhause geblieben, seine Familie lebt in Zentralisrael.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zunächst habe er nicht gewusst, wie er mit der Situation umgehen solle, sagt Asher in Brüssel. »Ich habe 48 Stunden nicht geschlafen. Ich konnte nichts tun, außer zu Boden zu fallen. Aber dann habe ich beschlossen, dass ich entweder um das Leben meiner Familie kämpfen oder sterben muss.”

Er stellt die Frage in den Raum, warum die Terroristen ausgerechnet Kinder angegriffen haben. Er habe keinen Hass auf palästinensische Kinder, auch nicht auf die der Peiniger seiner eigenen Töchter. »Wenn der Sohn oder die Tochter desjenigen, der meine Kinder entführt hat, jetzt hier neben mir säße, wissen Sie, was ich tun würde? Ich würde sie umarmen und küssen. Und wisst ihr warum? Weil es Kinder sind!«, ruft er in den Saal.

Er kritisiert die EU für ihr zögerliches Handeln in der Geiselfrage. »31 Tage nachdem meine Frau und meine beiden Töchter, die alle deutsche Staatsbürger sind, von der Hamas entführt wurden, habe ich noch nichts von dieser Organisation gehört. Ist ihr deutscher Pass nur ein Stück Papier? Hat er irgendeinen Wert?« Was am 7. Oktober geschehen sei, so Asher, sei nicht einfach nur Antisemitismus. »Es ist Dschihad. Sie klopfen auch an eure Tür.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Auch der 22-jährige Sohn von Shai Wenkert, Omer, wurde am 7. Oktober von der Hamas entführt. Er war auf dem Nova-Technofestival. Wenkert sagt, er habe Filmmaterial erhalten, das zeige, wie Shai verprügelt wird, obwohl er mit Handschellen gefesselt war. »Er ist doch nur zu einer Party gegangen, um Glück, Freiheit und Liebe zu feiern«, sagt Wenkert, und fügt hinzu, wie gerne er mit Shai, der in einem Restaurant arbeitet, wieder gemeinsam einen Kaffee trinken gehen würde.

Omri Almog ist nach Brüssel gekommen, um auf das Schicksal seiner Schwester Chen (48) und ihrer Kinder, Agam, Gal und Tal aufmerksam zu machen. Sie wurden aus dem Kibbuz Kfar Aza entführt, wo Hamas-Terroristen ein Blutbad anrichteten. Chens Mann Nadav Goldstein und die älteste Tochter Yam Goldstein wurden in einem Schutzraum ermordet.

Omri Almog wirkt gefasst, wird aber deutlich: »Wir brauchen Ihre Hilfe. Jetzt. Das ist nicht nur unser privates Problem. Es ist auch ein europäisches Problem.«

Die EU unterstütze Gaza, weil es dort ein humanitäres Problem gebe. Aber aktuell gebe es ein weiteres: das Schicksal der Geiseln. »Sie haben hier die Möglichkeit, aufzustehen und zu handeln. Sie können sagen, dass Sie (keine Finanzhilfen) zahlen werden, solange nicht alle Geiseln freigelassen worden sind.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Doch damit dürfte er in Brüssel wohl mehrheitlich auf taube Ohren stoßen. Viele EU-Politiker haben in den vergangenen Tagen angesichts der Lage in Gaza eine Aufstockung der humanitären Hilfe durch die EU verlangt.

EINFLUSS Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nun angekündigt, mehr für die Menschen im Gazastreifen tun zu wollen. Für die Geiseln interessiert sie sich dennoch. Die deutsche Chefin der EU-Exekutive hat zuletzt für ihren israelfreundlichen Kurs viel Kritik einstecken müssen. Am Mittwoch traf sie sich nicht nur mit Außenminister Cohen, sondern auch den Angehörigen der Geiseln. Auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, von der Leyen-Vize Margaritis Schinas und der für Israel und die Palästinensergebiete zuständige Kommissar Olivér Várhelyi nahmen sich Zeit.

Wie viel Einfluss, über Appelle hinaus, die EU tatsächlich auf die Freilassung der etwa 240 im Gazastreifen festgehaltenen Menschen hat, ist unklar. Die Botschaft der israelischen Besucher in Brüssel am Mittwoch war aber klar: Die EU sollte alle Hebel in Bewegung setzen, um Druck auf die Hamas auszuüben.

Von der Leyen sprach in einer Rede am Montag von einer »der größten Geiselkrisen in der Geschichte Europas und auch vieler außereuropäischer Länder.« Um dann aber doch wieder auf die Mitgliedstaaten zu zeigen. Die werde man, so die Kommissionspräsidentin, »in jeder erdenklichen Weise unterstützen«. Was das genau bedeutet, ließ sie offen.

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert