Am Nachmittag des 16. Februar klingelte in der Redaktion des britischen Satire-Magazins »Private Eye« das Telefon. Der Wikileaks-Gründer Julian Assange rief beim Chefredakteur Ian Hislop an, um sich über einen Artikel zu beschweren. Im Verlauf des Gesprächs soll der Australier erklärt hab en, er sei Opfer einer Kampagne jüdischer Journalisten, die zum Ziel habe, Wikileaks um jüdische Unterstützung und Spendengelder zu bringen. Konkret nannte er die Namen der »Guardian«-Mitarbeiter David Leigh und Alan Rusbridger sowie John Kempfner vom Magazin »Index on Censorship«.
Alle drei hatten zuvor kritische Artikel über den Whistleblower geschrieben, in denen es um dessen zahlreiche Verbindungen zu Antisemiten ging. Auf den Einwand des Redakteurs – so berichtet die New York Times –, Alan Rusbridger sei gar kein Jude, soll Assange geantwortet haben, dann sei er eben »eine Art Jude«, denn schließlich wäre ja wohl der Schwager jüdisch.
Twitter Assange beschwerte sich weiter, dass die von »Private Eye« erhobenen Vorwürfe, wonach er Israel Shamir, einen Holocaustleugner und ausgewiesenen Antisemiten, zu einem engen Mitarbeiter gemacht habe, erlogen seien, um ihm zu schaden. Inzwischen hat der Wikileaks-Chef alle Vorwürfe zurückgewiesen. Auf Twitter postete er: »Hislop hat jeden entscheidenden Satz verdreht, erfunden oder falsch erinnert.« Von einer jüdischen Verschwörung gegen ihn sei nie die Rede gewesen.
Der mögliche Kontakt zu Shamir ist allerdings nicht die einzige seltsame Verbindung, die Assange pflegt. Auch die schwedischen Journalisten Johannes Wahlström, Shamirs Sohn, und Donald Boström zählen dazu. In der Vergangenheit waren die beiden immer wieder durch antisemitische Beiträge aufgefallen.
Boström löste zuletzt im Jahr 2009 weltweite Empörung mit einem Artikel in der schwedischen Zeitung Aftonbladet aus. Darin hieß es, israelische Ärzte würden tote Palästinenser gezielt wegen ihrer Organe ausschlachten, um jüdische Patienten zu retten.
Sein Kollege Wahlström schmückt sich dagegen gern damit, im linken schwedischen Magazin »Ordfront« (Wortfront) zu publizieren. In einem Artikel aus dem Jahr 2005 stellte er die These auf, die schwedischen Medien würden von »jüdischen Interessen« manipuliert. Was Wahlström dabei verschweigt: Drei der Journalisten, die er für die krude Story interviewte, beschwerten sich umgehend beim Herausgeber und wiesen nach, dass ihre Zitate grob verfälscht wurden.
Verschwörungstheorie Heléne Lööw, Doktor der Philosopie und führende schwedische Faschismus-Forscherin, erklärte, der von Wahlström verfasste Artikel enthalte »alle Elemente, die man in einer klassischen antisemitischen Verschwörungstheorie finden kann«. Die Beschwerden hatten Erfolg: Die Geschichte wurde umgehend zurückgezogen, Ordfront entschuldigte sich. Boström, den Wahlström für seinen Artikel ebenfalls interviewt hatte, erhob übrigens keinerlei Einwände bezüglich des antisemitischen Inhalts.
Vor diesem Hintergrund erscheint Assanges Vortragsreise nach Schweden Mitte August 2010 in einem anderen Licht. Eingeladen worden war der Star-Whistleblower von der »Broderskapsrörelsen« (Bruderschaftsbewegung), einer protestantischen Gruppierung. In Wirklichkeit handelt es sich dabei jedoch offenbar um eine Vereinigung mit antisemitischen und antiisraelischen Tendenzen.
Die angebotenen Vorträge lauten beispielsweise »Irak, Palästina, Afghanistan – die gleiche Okkupation?«, als Redner verpflichtet man gern international bekannte Judenhasser wie den Islamisten Azzam Al-Tamimi, der in Interviews immer wieder palästinensische Selbstmordattentate rechtfertigte und zur Auslöschung Israels aufrief.
Seit »Uppdrag granskning«, das Investigativ-Magazin des staatlichen schwedischen Fernsehens SVT, sich im Jahr 2006 mit der Broderskapsrörelsen beschäftigt und deren enge Verbindungen unter anderem zu radikal-islamistischen Grupen aufgedeckt hatte, ist die israelfeindliche Ausrichtung der Bruderschaft zumindest in Schweden kein Geheimnis mehr.
Leaks Dass Assange sich in Skandinavien mit ausgewiesenen Antisemiten umgibt, wird dort aber auch aus einem anderen Grund schon seit Langem thematisiert. Denn Johannes Wahlström ist derjenige, der frei darüber entscheiden kann, welche Zeitungen welche Leaks veröffentlichen dürfen. »Aftonbladet«, eine Publikation der Schibsted-Mediengruppe, arbeitet nach eigenem Bekunden gern mit Assange zusammen, weil sie seine journalistische Kompetenz schätzt.
Im Gegensatz zum norwegischen Boulevardblatt VG sowie den schwedischen Tageszeitungen »Aftonbladet« und »Svenska Dagbladet« bleiben die Medien der Verlagsgruppe Bonnier AB, deren Ursprünge auf den aus Deutschland emigrierten Juden Gutkind Hirschel zurückgehen, bei der Veröffentlichung der Dokumente außen vor.
In einem Artikel griff Wahlström die Bonnier AB-Gruppe zudem scharf an. Der Konzern beeinflusse durch regelrechte Kampagnen die Machtverhältnisse in Schweden, wurde darin behauptet, während das Unternehmen von der Politik geschützt werde. Wahlström verwendete im Text auch antisemitische Klischees, und das wohl nicht ohne Grund: Der Konzern gilt dem Journalisten schließlich als Beleg für den von ihm immer wieder beklagten angeblichen »jüdischen Einfluss« auf schwedische Medien und Politik. Außerdem versuche Bonnier, über ihre Tageszeitung Expressen, den Wikileaks-Gründer fertigzumachen – und werde dabei nach Kräften von schwedischen Feministinnen unterstützt.
Darin ist sich Wahlström mit seinem Vater, Israel Shamir, der ebenfalls mit Wikileaks in Verbindung steht, einig. Von Assange wurde der Mann, der den Holocaust leugnet und an die Echtheit der »Protokolle der Weisen von Zion« glaubt, als Vertrauensperson für Russland eingesetzt, wo er nach Gutdünken Dokumente an ihm genehme Medien verteilen kann.
Mehr zu Julian Assanges Stellungnahme
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