Interview

»Die EU ist nicht israelkritisch genug«

Daniel Cohn-Bendit über JCall, die EU und jüdische Organisationen

von Martin Krauss  04.05.2010 13:55 Uhr

Daniel Cohn-Bendit Foto: imago

Daniel Cohn-Bendit über JCall, die EU und jüdische Organisationen

von Martin Krauss  04.05.2010 13:55 Uhr

Herr Cohn-Bendit, Sie gehören zu den Gründern der Initiative »JCall – Europäisch-jüdischer Appell an die Vernunft«, die sich am Montagabend in Brüssel der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Wozu braucht es diese Gruppe?
Es braucht uns, damit klar wird, dass es auch Juden in Europa gibt, die sich nicht von den offiziellen jüdischen Organisationen vertreten fühlen. Es ist traurig, dass diese zu Verlautbarungsorganen des israelischen Außenministeriums geworden sind.

JCall hat ihre Erklärung einem Vertreter der Europäischen Union übergeben – ist die EU der Adressat?
Sie ist nicht der, sondern ein Adressat. Hier wird schließlich über Israel und Palästina gesprochen. Die Erklärung richtet sich auch an die israelische Regierung in Jerusalem und an etliche andere Stellen.

Die Nahostpolitik der EU ist umstritten. Zuletzt hat das Europäische Parlament eine Erklärung zum UN-Bericht des Richters Richard Goldstone über den Gazakrieg verabschiedet, die als einseitig und zu israelkritisch beurteilt wurde.
Sie ist leider nicht kritisch genug! Nehmen Sie ruhig den Goldstone-Report. Da fordert das Europa-Parlament doch nur eine unabhängige Untersuchung, weil es nicht allein den Quellen der Hamas und denen aus Israel vertrauen will. So etwas gilt dann schon als kritisch.

Hat JCall Kontakt zu israelischen Bürgerrechtsgruppen?
Ja. Ich selbst bin schon oft in Israel gewesen.

Und zu der großen amerikanischen Lobbygruppe J-Street?
Ja, natürlich. Ein Vertreter dieser Organisation war am Montag anwesend, als wir uns der Öffentlichkeit vorgestellt haben.

Wenn Sie die jüdischen Organisationen in Europa kritisieren, wen meinen Sie damit?
Da beziehe ich auch Institutionen in Deutschland mit ein. Viele jüdische Gruppen benehmen sich, als ob sie das israelische Außenministerium wären, zum Beispiel der European Jewish Congress.

Zu Auseinandersetzungen kommt es oft nach konkreten Stellungnahmen, wie derzeit in Deutschland durch die Gruppe »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«.
Ich kenne diesen konkreten Streit nicht, aber was soll’s? Da hat eine Gruppe mal eine eigene Position formuliert, und schon regen sich alle auf. Es gibt aber nicht eine einheitliche Gruppe von Juden, es gibt viele jüdische Meinungen. Und genau das wollen wir zeigen.

Sie äußern sich zumeist als Linker und Grünen-Politiker. Jetzt betonen Sie, dass Sie Jude sind.
Ich habe diese Petition jüdischer Intellektueller unterschrieben, weil sie in meinem Sinne ist. Und ich bin nun mal Jude, was soll ich mich da verstecken?

Mit dem Europa-Abgeordneten der Grünen sprach Martin Krauß.

Erfurt

CDU, BSW und SPD legen in Thüringen Koalitionsvertrag vor

Wegen der Außenpolitik des BSW ist das Bündnis umstritten

 22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024

Debatte

Theologen werfen Papst einseitige Sicht auf Nahost-Konflikt vor

Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthalte einen »blinden Fleck im Denken«

 22.11.2024

Hessen

Boris Rhein verurteilt Haftbefehl gegen Netanjahu

Der israelische Premier verteidige »sein Land gegen Terroristen«, so Rhein

 22.11.2024

CDU/CSU

Unionspolitiker: Verhaftung von Netanjahu auf deutschem Boden »unvorstellbar«

Die größte Oppositionsfraktion kritisiert die fehlende Haltung der Bundesregierung

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Internationaler Strafgerichtshof

»Halten uns an Recht und Gesetz«: Jetzt äußert sich die Bundesregierung

Außenministerin Annalena Baerbock will aber noch genauer prüfen, was der Entscheid des IStGH bedeutet

 22.11.2024

Budapest

Orbán: »Werde Netanjahu nach Ungarn einladen«

Regierungschef Viktor Orbán will seinen israelischen Amtskollegen trotz des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofes weiter empfangen

 22.11.2024

Atomprogramm

Iran kündigt Ausbau der Urananreicherung an

Der Atomstreit mit dem Iran geht in eine neue Runde

 22.11.2024