Bundespräsident Joachim Gauck hat bei einer Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen von Yad Vashem am Dienstagabend in Berlin die Bedeutung der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte gewürdigt. Sechs Millionen Juden sind von den Nazis umgebracht worden, sie sollten nicht leben – nicht einmal in der Erinnerung. »Es ist das große Verdienst von Yad Vashem, die meisten Ermordeten der Anonymität entrissen zu haben«, sagte Gauck. Durch Yad Vashem hätten die Opfer ihre Namen zurückerhalten, ihre Gesichter, ihre Biografien, ihre Identität als menschliche Wesen.
Yad Vashem rufe gerade vor dem Hintergrund millionenfachen Mordes die Kostbarkeit des Lebens und die Kostbarkeit menschlicher Zivilisation ins Gedächtnis. Gauck betonte die universelle Bedeutung der Erinnerung an den Holocaust: »Die Judenvernichtung ist zum Symbol für das Böse schlechthin geworden. So blicken wir alle, die ganze Menschheit, zurück, um der Zukunft eine Ausrichtung zu geben: Solche schrecklichen Verbrechen dürfen wir nicht mehr zulassen.«
Verantwortung Gauck unterstrich, dass die Erinnerung an den Holocaust in der Bundesrepublik immer eine besondere Bedeutung behalten werde: »Denn es waren Deutsche, die die Schuld an der Judenvernichtung trugen, und somit sind es Deutsche, die heute eine besondere Verantwortung für das Schicksal der Juden tragen und denen heute eine besondere Verantwortung im Verhältnis zum Staat Israel aufgetragen ist.«
Angesichts der jüngeren Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Gauck erwähnte das Morden in Ruanda, Srebrenica und der Zentralafrikanischen Republik – rief der Bundespräsident zu Zivilcourage auf: »Wir sollten handeln, wie es einst die ›Gerechten‹ taten. Wenn schon nicht alles Unheil zu bannen ist, sollten wir tun, was wir zu tun vermögen.« Er forderte auf, »der Gewalt, der Vertreibung, der Verfolgung ein Ende zu setzen und Menschen zu schützen, die entwürdigt, entrechtet und ermordet werden«.
Freundeskreis Der Freundeskreis von Yad Vashem in Deutschland war Veranstalter der in der Deutschen Oper Berlin abgehaltenen Feierstunde – 60 Jahre nach der Gründung von Yad Vashem und 50 Jahre nach Einführung der Ehrung »Gerechter unter den Völkern«. Die Vorsitzende des Förderkreises, Hildegard Müller, verwies darauf, dass es sich der 1997 gegründete Verein zum Ziel gesetzt habe, die Arbeit der Gedenkstätte in Jerusalem »hierzulande noch bekannter zu machen und sie nach Kräften ideell und finanziell zu fördern«.
An dem Abend mit Gedenken in Musik und Wort – moderiert von Schauspielerin Susan Sideropoulos – nahmen zahlreiche Vertreter aus Politik und Gesellschaft teil. Darunter waren Ex-Bundespräsident Horst Köhler, die Bundesminister Sigmar Gabriel und Hermann Gröhe sowie die Präsidentin der IKG München und Oberbayern, Charlotte Knobloch.
Yad Vashem, die Gedenkstätte des Holocaust, wurde 1953 in Jerusalem gegründet, um sechs Millionen ermordeter Juden ein Gesicht zu geben, ihrer zu erinnern und ihr Gedenken zu bewahren. Inzwischen ist Yad Vashem auch zu einer international anerkannten Bildungs- und Forschungsstätte für die Geschichte des Holocaust geworden.