Meinung

Die Ehre des Jan Gross

Jan Gross ist einer der bedeutendsten Historiker Polens. Bevor er sich mit den polnisch-jüdischen Beziehungen beschäftigte, hatte er als einer der Pioniere zur Verfolgung der Polen in der Sowjetunion geforscht. Diese Bedeutung zeigt sich auch darin, dass dem an der Princeton University in den USA lehrenden Wissenschaftler 1996 der Verdienstorden der Republik Polen, das sogenannte Ritterkreuz, verliehen wurde, eine der höchsten Auszeichnungen unseres Landes.

Aber wir erleben gerade, dass einige konservative Politiker Gross diese Ehre wieder aberkennen wollen. Polens Präsident Andrzej Duda wird dazu bald eine Entscheidung treffen. Die Initiative für die Aberkennung begründet sich damit, dass Gross in jüngerer Zeit zur Kollaboration von Polen mit den deutschen Besatzern geforscht und dabei unangenehme Entdeckungen gemacht hatte.

auszeichnung Auch wenn dies ein Kapitel der Geschichte ist, auf das die Polen sicherlich nicht stolz sein können, überrascht es doch, dass die Kampagne gegen Gross jetzt tatsächlich Chancen auf Erfolg hat. Denn zum einen hat Gross diese Auszeichnung ja für seine Forschungen zur »Sowjetisierung« Polens während und nach dem Zweiten Weltkrieg bekommen.

Und zum anderen hätten seine späteren Arbeiten zur Schoa eine gute Grundlage für eine überfällige Debatte über die gemeinsame polnisch-deutsche Geschichte sein können. Gerade sein Werk Nachbarn (2001), das die Ermordung der jüdischen Gemeinde von Jedwabne behandelt, ist in einer klaren und verständlichen Sprache verfasst und wäre eine gute Basis.

debatte Doch anstelle dieser Debatte sind wir jetzt mit der Initiative konfrontiert, die versucht, Jan Gross seine Verdienste abzusprechen. Dies hat auf eine bestimmte Art auch mit seinen Büchern zu tun: Es gibt viele Menschen, die meinen, dass dieses Thema nicht auf die politische Agenda gehört und dass die Geschichte der jüdisch-polnischen Beziehungen nur in Schwarz und Weiß ohne Zwischentöne zu beschreiben sei.

Trotz dieser Strömungen hoffe ich, dass Präsident Duda die richtige Entscheidung treffen wird. Sie wäre ein gutes Zeichen sowohl für diejenigen, die Angst vor der gegenwärtigen Entwicklung Polens haben, als auch für die, die der Meinung sind, Polen sei weit davon entfernt, sich mit den dunklen Kapiteln seiner Geschichte zu befassen.

Der Autor war Präsident des Jüdischen Gemeindebundes Polens.

Debatte

Darf man Israel kritisieren?

Eine Klarstellung von Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  21.11.2024

Medienberichte

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Alter von 96 Jahren gestorben

In der rechsextremen Szene wird sie bewundert

 21.11.2024

Washington D.C.

US-Senat gegen Blockade einiger Waffenlieferungen an Israel

Eine Gruppe von Demokraten scheitert mit ihrem Vorstoß

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Russlands Krieg in der Ukraine

1000 Tage Krieg

Die Ukraine hat gerade ein bitteres Jubiläum begangen - 1000 Tage Krieg. Wie leben die Menschen dort, begleitet von so viel Tod und Zerstörung? Streiflichter von einem einzelnen Tag geben einen kleinen Einblick

von Illia Novikov  20.11.2024

Berlin

Prozess gegen Teilnehmer israelfeindlicher Uni-Besetzung eingestellt

Die Aktion an der Humboldt Universität bleibt auch wegen der dort verbreiteten Pro-Terror-Propaganda in Erinnerung

 20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

USA

Trump nominiert Juden für das Handelsministerium

Howard Lutnick ist Chef des New Yorker Finanzunternehmens Cantor Fitzgerald

von Andrej Sokolow  20.11.2024

Wien

IAEA: Iran will Uran-Produktion beschränken

Dabei hat das Mullah-Regime seinen Uran-Vorrat zuvor massiv aufgestockt

 20.11.2024