Herr Gutmark, am Dienstagabend haben Sie gemeinsam mit dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt die hessische Kunstministerin Angela Dorn zu einem Gespräch über die documenta getroffen. Von wem ging die Initiative aus?
Wir hatten dieses Gespräch angestrebt, zusammen mit der Landesregierung. Für den Landesverband war neben mir mein Vorstandskollege Alfred Jacoby dabei.
Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Gespräch mitgenommen?
Es scheint zunehmend um Politik zu gehen und weniger um Kunst. Auch scheint es mir so zu sein, dass die Geschäftsführung der documenta für die Aufarbeitung der Antisemitismus-Skandale ungeeignet ist.
Wie war die Gesprächsatmosphäre?
Es war ein freundschaftliches Format. Auch schwierige Themen lassen sich in einer solchen Atmosphäre angehen. Wir kennen Frau Dorn schon seit Längerem und kennen ihre Einstellung zu Antisemitismus nicht erst seit der documenta. Sie hat eine lobenswerte, aufgeschlossene Haltung.
Wünschen Sie sich eine Fortsetzung des Dialogs mit der Landesregierung?
Wir wünschen uns, dass regelmäßig Gespräche stattfinden. Ich glaube nicht, dass der Judenhass verschwindet, wenn der Antisemitismus auf der documenta aufgearbeitet worden ist. Antisemitismus ist eine Plage, die uns noch lange beschäftigen wird.
Wie konnte es in Kassel zu solch gravierenden judenfeindlichen Eklats kommen?
Das, was sich auf der documenta gezeigt hat, war schon im Vorfeld begleitet von vielen Warnungen: Es wurde bereits angenommen, dass antisemitische Werke ausgestellt werden könnten. Dennoch traf das auf taube Ohren.
Zeugt der Skandal von einer neuen Qualität des Judenhasses?
Es gibt heute eine Unbefangenheit in Sachen Antisemitismus. Die Hemmungen sind deutlich weniger geworden. Bei der documenta war man blind – als ob man nicht wusste, worum es geht. Doch auch die Kunstfreiheit legitimiert keinen Judenhass.
Wie geht die Kasseler Gemeinde mit den Eklats um?
Es geht den Kasselern direkt unter die Haut. Sie haben vor Ort protestiert – und zwar mit Recht. In Kassel ist das deutschlandweit erste Zentrum gegen Antisemitismus entstanden, daher waren die Kasseler besonders sensibilisiert.
Wie blicken Sie persönlich auf die Vorgänge bei der Weltkunstausstellung?
Wir sehen, dass es ganz verschiedene Äußerungen seitens der documenta gab, etwa, dass ihnen der antisemitische Charakter des Bildes nicht aufgefallen sei. Das ist eine ganz schlimme Aussage. Denn damit sagt man, dass es einen nichts anging.
Wie verfolgen Sie die öffentliche Debatte über die Vorgänge?
In der Öffentlichkeit haben sich viele zu der Thematik geäußert. Ich denke, dass die Landesregierung sich mit den Vertretern der großen Mehrheit der Juden in Hessen und Frankfurt trifft, zeigt, dass die Politik hier nun an der richtigen Adresse ist.
Mit dem Vorsitzenden des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen sprach Eugen El.