Laut Oppositionspolitikern verhindert eine Gesetzeslücke, dass viele weibliche NS-Verfolgte und ihre Nachkommen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. »Eine solche Ungerechtigkeit, für die niemand mehr Verständnis hat, ist nicht zu rechtfertigen«, sagte FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff der Zeitung »taz« (Montag).
Der Bundestag müsse den Betroffenen den Weg in die deutsche Staatsangehörigkeit eröffnen. Derzeit spiele dies in der Brexit-Debatte eine besondere Rolle.
NACHFAHREN Nach bestehender Gesetzeslage können laut dem Bericht die Nachfahren weiblicher NS-Verfolgter, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 geboren wurden, die deutsche Staatsbürgerschaft nicht erlangen, weil für sie weiterhin das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 Gültigkeit besitzt. Danach wird die Staatsangehörigkeit ausschließlich durch den Vater weitergegeben.
Hat eine im Nationalsozialismus verfolgte Frau im Exil einen Ausländer geheiratet und mit ihm vor 1949 Kinder bekommen, so besitzen diese kein Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Auch die Verfolgte selbst kann keinen deutschen Pass erhalten, bestätigte das Innenministerium der »taz«.
Die Gesetzeslage stehe jedoch im Widerspruch zum Grundgesetz, »wonach frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge«, auf Antrag einzubürgern sind.
BREXIT Derzeit sind der Zeitung zufolge mehrere Fälle in Großbritannien bekannt, bei denen die Bundesrepublik Nachfahren von Jüdinnen die Staatsbürgerschaft verweigert. Die Problematik wurde zuletzt im Zuge des geplanten Austritts Großbritanniens aus der EU deutlich. Allein von Januar bis Oktober 2018 beantragten demnach 1228 Personen unter Berufung auf ihre Vorfahren dort die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die Bundesregierung müsse schnellstmöglich tätig werden, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, der »taz«. Der frühere Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) sagte: »Nachfahren von deutschen Juden müssen ein Recht auf die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Die abwehrende Haltung der deutschen Rechtspraxis ist ein Skandal.«
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, sagte, er könne »das Unverständnis der Betroffenen durchaus nachvollziehen« und plädierte für eine pragmatische Lösung per Erlass. Das Innenministeriums prüft laut einer Sprecherin, ob eine erleichterte Einbürgerungsmöglichkeit ausgedehnt werden könne. kna