Erinnerung

Deutschland und Israel prangern Holocaust-Leugnung an

Jeremy Issacharoff, der israelische Botschafter in Berlin Foto: picture alliance/dpa

Zum 80. Jahrestag der sogenannten Wannsee-Konferenz haben Deutschland und Israel die Leugnung und Trivialisierung des Holocausts angeprangert. In einem Gastbeitrag für den »Tagesspiegel« (Donnerstag) und die israelische Tageszeitung »Maariv« monierten die deutsche Botschafterin in Israel, Susanne Wasum-Rainer, und der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, dass die Fakten der Schoa noch immer abgestritten würden und deren historischer Ausnahmecharakter relativiert werde.

Derweil räumte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) eine Mitschuld des Auswärtigen Amts am Leiden der Juden ein.

GASTBEITRAG In dem Gastbeitrag schreiben die beiden Botschafter weiter, die Leugnung und Trivialisierung des Menschheitsverbrechens sei dabei nicht nur unter politischen Radikalen verbreitet, sondern ein gesellschaftliches und internationales Phänomen.

Aus diesem Grund wollten Israel und Deutschland an diesem Donnerstag bei den Vereinten Nationen gemeinsam eine Resolution anstoßen. Die politisch Verantwortlichen weltweit seien zur Unterstützung aufgerufen. »Diese Resolution soll ein Zeichen der Hoffnung und der Inspiration für alle Staaten und Gesellschaften sein, die für Vielfalt und Toleranz einstehen, nach Versöhnung streben und verstehen, dass die Erinnerung an den Holocaust unabdingbar dafür ist, dass sich derartige Verbrechen nicht wiederholen.«

Bei der sogenannten Wannsee-Konferenz hatten am 20. Januar 1942 hohe NS-Funktionäre über die systematische Ermordung von bis zu elf Millionen Juden Europas beraten. Ziel der Besprechung in einer Villa am Berliner Wannsee war es, die Umsetzung des Völkermords zu beschleunigen. Sie gilt als eines der Schlüsseldaten des Holocaust.

In dem Gastbeitrag der beiden Botschafter heißt es weiter, die Leugnung historischer Fakten des Holocausts sei nicht nur ein Angriff auf die Opfer der Vernichtung und ihre Nachkommen, auf Jüdinnen und Juden in aller Welt und den Staat Israel. Es sei auch ein Angriff »auf die Grundbedingung friedlicher Gesellschaften und friedlichen Zusammenlebens weltweit«.

VORSCHLÄGE Die Botschafter machten auch Vorschläge für Maßnahmen zur Bekämpfung der Holocaust-Leugnung. Dazu gehören eine einheitliche Definition von Antisemitismus, Investitionen in Bildung und Aufklärung sowie Maßnahmen, um die Infragestellung und Relativierung des Holocausts in den sozialen Medien zu verhindern.

Außenministerin Baerbock bekannte sich zur Mitverantwortung des Auswärtigen Amts am Mord an den Juden durch die Nazis. »Wir werden nie vergessen, was Deutschland ihnen angetan hat«, sagte sie laut einer Mitteilung des Auswärtigen Amts. »An ihrem Leid tragen auch Beamtinnen und Beamte des Auswärtigen Amts Schuld, die sich in den Dienst von Verbrechen und Völkermord des Nazi-Regimes gestellt haben.« Sie seien damit zu willfährigen Helferinnen und Helfern des Unrechts geworden. »Dieses Kapitel der Geschichte muss uns ein Ansporn sein: Nie wieder darf so etwas geschehen.«

Baerbock sagte weiter, wer im Staatsdienst Verantwortung trage, müsse zuallererst dem Recht und der Menschlichkeit verpflichtet sein, nicht der Macht. Die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des Auswärtigen Amtes während des Nationalsozialismus sei deshalb fester Bestandteil der Ausbildung im Auswärtigen Amt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ausbildung würden noch stärker dafür sensibilisiert, Antisemitismus zu erkennen und aktiv zu werden, wenn sie ihm begegneten. »Am Internationalen Holocaust-Gedenktag des 27. Januars werden fortan alle Mitarbeitenden weltweit daran erinnert.«

GEDENKSTÄTTEN Derweil forderte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, Pflichtbesuche für angehende Lehrer und Lehrerinnen im Haus der Wannseekonferenz oder KZ-Gedenkstätten. »Ich setze mich daher dafür ein, dass die Auseinandersetzung mit der Schoa und mit Antisemitismus bundesweit ein verpflichtender Bestandteil des Lehramtsstudiums wird«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).

Pflichtbesuche von allen angehenden Lehrern in Gedenkstätten wie der Wannseekonferenz wären ein wichtiger Beitrag gegen den wiedererstarkenden Antisemitismus. »Mir fehlt das Verständnis dafür, dass es in Deutschland nach wie vor möglich ist, ein Lehramtsstudium ohne jeden Berührungspunkt mit der Shoah abschließen zu können«, sagte Klein. Schüler könnten die heutige Gesellschaft nur verstehen, wenn ihnen die deutsche Geschichte bewusst sei. dpa

Berlin/Jerusalem/Tel Aviv

60 Jahre diplomatische Beziehungen: Deutsch-israelischer Buchmesse-Pavillion abgesagt

Regierungsbeamte in Israel sind enttäuscht. Die Bundesregierung sieht die Sache anders

 12.12.2024

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024

Berlin

Roth: Israelische Angriffe auf syrische Waffenlager verständlich

Israels Luftwaffe bombardiert seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad massiv militärische Einrichtungen in Syrien. Der SPD-Politiker zeigt dafür zum Teil Verständnis

 12.12.2024

Nach Eklat

Vatikan entfernt Jesus-Kind mit Keffiyeh

Nach tagelanger Kritik hat die katholische Kirche nun reagiert, auch wenn sie sich öffentlich nicht äußert

von Nils Kottmann  12.12.2024

Baden-Württemberg

Nach antisemitischen Anfeindungen: Innenminister will Pfarrer schützen

Ein evangelischer Pastor in Langenau bei Ulm wird seit Monaten wegen seiner Kritik an den Hamas-Massakern angefeindet

 12.12.2024

Berlin

Was die Bundesregierung gegen Antisemitismus tun will

Mehr Beauftragte, mehr Programme - und trotzdem mehr Judenhass. Der neue Bericht der Bundesregierung zeigt Fortschritte und Lücken bei der Bekämpfung von Antisemitismus auf. Eine Bilanz der vergangenen vier Jahre

 12.12.2024

Leitartikel

Islamisten als Befreier?

Nach dem Sturz der blutigen Assad-Diktatur atmet die Welt auf. Was die Umwälzungen für den Nahen Osten bedeuten – und für Israels Sicherheit

von Peter R. Neumann  12.12.2024

Europa

Kniefall in Warschau - Söder gedenkt Polens Kriegsopfern

In Warschau legt Markus Söder einen Opferkranz nieder und kündigt polnische Hinweisschilder für Bayerns Gedenkstätten an. Im Gespräch mit dem Regierungschef geht es um einen aktuellen Krieg

 11.12.2024

Meinung

Syrien: Warum machen wir immer wieder den gleichen Fehler?

Der Westen sollte keinem Mann vertrauen, der bislang als Terrorist gesucht wurde

von Jacques Abramowicz  11.12.2024