Bislang sind 55 pflegebedürftige Holocaust-Überlebende aus der Ukraine nach Deutschland gebracht und aufgenommen worden. Mit jedem Tag kämen mehr dazu, sagte der Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), Aron Schuster, der Jüdischen Allgemeinen.
Die Aufnahme dieser Personen geschehe »in unserer besonderen Verantwortung als Deutsche«, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). »Wir geben ihnen eine vorübergehende Heimat. Das ist uns europaweit in diesen ersten Kriegswochen sehr gut gelungen.«
KRIEGSVERBRECHEN Die Berichte über Gräueltaten an Hunderten Bewohnern ukrainischer Städte kommentierte die Bundesinnenministerin scharf. »Ich bin Juristin. Natürlich soll man niemanden vorverurteilen. Aber es deutet alles darauf hin, dass Wladimir Putin und seine Armee in der Ukraine furchtbare Kriegsverbrechen begehen.«
Die Jewish Claims Conference schätzt, dass sich insgesamt rund 400 bis 600 schwerstpflegebedürftige Überlebende in der Ukraine befinden. Nicht alle von ihnen könnten und wollten aber das Land verlassen, so Aron Schuster. Diejenigen, die sich dennoch dazu entschließen, würden einzeln mit Krankentransportern nach Deutschland gebracht.
ZUSAMMENARBEIT Im Hinblick auf die Unterbringung dieser hochbetagten Überlebenden spüre man eine große Welle der Hilfsbereitschaft, auch bei nichtjüdischen Einrichtungen, so der ZWST-Direktor.
»Wir können leider nicht alle in den wenigen vollstationären Heimen der jüdischen Altenpflege unterbringen und sind deshalb auf die Kooperation mit Caritas, Diakonie, Parität, Arbeiterwohlfahrt und Deutschem Roten Kreuz angewiesen. Alle diese Verbände bringen sich enorm ein, und es ist rührend zu sehen, wie sehr man sich in den Einrichtungen um die Überlebenden kümmert«, sagte Schuster dieser Zeitung.
Aron Schuster, der Direktor der ZWST, lobte auch die Unterstützung durch die Bundesregierung bei der Organisation der Evakuierungen.
Er lobte auch die Unterstützung durch die Bundesregierung bei der Organisation der Evakuierungen. Am Mittwoch hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag ein besonderes Engagement für Schoa-Überlebende in den ukrainischen Kriegsgebieten zugesagt. Diese Menschen verdienten den »besonderen Schutz« Deutschlands, sagte Scholz in der Fragestunde des Parlaments.
VORBEREITUNGEN Die Bundesregierung handele dabei auch in enger Abstimmung mit den europäischen Verbündeten »im Hinblick auf das, was getan werden kann, um das zu organisieren«. Die Evakuierungen müssten angesichts des Alters der Betroffenen »sehr sorgfältig vorbereitet werden«, so der Kanzler.
Insgesamt sind rund sechs Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in Deutschland 313.200 Flüchtlinge registriert worden. Die tatsächliche Zahl liegt wahrscheinlich aber höher, weil es an der deutsch-polnischen Grenze keine regulären Kontrollen gibt und sich Menschen mit ukrainischem Pass zunächst für 90 Tage frei in der EU bewegen können. Sie müssen sich erst registrieren, wenn sie staatliche Leistungen beantragen. Alle Geflüchteten aus der Ukraine haben Anspruch auf finanzielle Hilfeleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. mth/dpa/epd