Meinung

Deutsche Medien und »Siedlerkinder«

Die deutsche Nahostberichterstattung beruht auf zwei goldenen Regeln. Erstens: Israel ist immer schuld. Zweitens: Sollte Israel ausnahmsweise weniger schuld als üblich sein, ist so lange Fantasie gefragt, bis Regel Nummer eins in Kraft tritt. Insofern dürfte die Entführung der drei israelischen Teenager durchaus eine Herausforderung für jeden ordentlichen Medienmacher gewesen sein. Denn wenn Jugendliche gekidnappt und ermordet werden – und zwar nur, weil sie Juden waren –, braucht es schon ein wenig mehr Aufwand, um den Israeli zum Täter zu befördern.

verschwunden Die deutschen Medien haben jedoch auch diese Aufgabe bravourös gemeistert. Zunächst wurden aus unschuldigen Jungs verdächtige »Siedlerkinder«, die qua Wohnort ohnehin eine Teilschuld treffe. Mal waren sie »verschwunden«, mal »vermisst« oder gar »verschollen« – ganz so, als wären sie einfach irgendwo verloren gegangen. Entführt waren sie indes eher selten. Allerhöchstens »mutmaßlich« entführt, man will ja bloß nicht vorverurteilen.

So viel Sorgfalt ist allerdings kein Wunder. Die Kidnapper klar zu benennen, würde nämlich das hiesige Täter-Opfer-Schema für nahöstliche Angelegenheiten völlig auf den Kopf stellen. Insofern blieb nichts anderes übrig, als den Übeltäter in Jerusalem aufzuspüren. »Cui bono?«, orakelte es da, um Israels Premier Netanjahu zum Nutznießer erklären zu können, dem die Tragödie gerade recht käme, um die schöne neue palästinensische Einheitsregierung zu spalten.

empathie Dass dann am Montag eher von »gefundenen Leichen« die Rede war, ist nur konsequent. Es gehörte schon etwas mehr dazu als nur die Lektüre der Titelzeilen, um von drei brutalen Morden zu erfahren. Schließlich ist Mord ein Verbrechen, das deutsche Medienmacher bevorzugt in Gaza und unter Federführung der IDF ausmachen. Mord an Israelis dagegen lässt sich mit den zwei goldenen Regeln nur schwer in Einklang bringen. Regeln, die in eine Überdosis Empathielosigkeit münden und nur durch das schier unstillbare Bedürfnis zu erklären sind, die Opfer von damals zwecks Schuldabwehr zu den Tätern von heute zu stilisieren.

Insofern können die Medienmacher nun endlich aufatmen. Ab sofort tritt nämlich wieder Regel Nummer eins in Kraft: »Israel droht mit Vergeltung«, schlagzeilt es landauf, landab. Da lacht das deutsche Journalistenherz.

Die Autorin ist freie Journalistin in München.

Jemen

Huthi-Anführer verlassen Hauptstadt nach Angriffen im Jemen

Nach den US-Angriffen und aus Sorge vor weiteren Explosionen fliehen einige führende Mitglieder aufs Land

 16.03.2025

Analyse

Die Umdeutler

Die AfD will die deutsche Geschichte verfälschen. Künftig kann sie ihr Ziel noch konsequenter verfolgen

von Sebastian Beer  16.03.2025

USA

Wer Jude ist, bestimmt nun er

Donald Trump wird immer mehr wie der berühmt-berüchtigte Wiener Bürgermeister Karl Lueger

von Michael Thaidigsmann  16.03.2025 Aktualisiert

In eigener Sache

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

Ein Editorial von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  16.03.2025 Aktualisiert

Berlin

Joschka Fischer nennt mögliche Verhaftung Netanjahus »absurd«

Der frühere Außenminister stimmt CDU-Chef Friedrich Merz zu: Der israelische Ministerpräsident müsse Deutschland unbehelligt besuchen können

von Imanuel Marcus  16.03.2025

Berlin

Staatsanwaltschaft: Deutlich mehr antisemitische Straftaten

Im vergangenen Jahr wurden 756 Fälle registriert

 16.03.2025

Brüssel

Früherer EJC-Chef Kantor von EU-Sanktionsliste gestrichen

Die Streichung des russisch-britischen Geschäftsmanns erfolgte offenbar auf Druck der ungarischen Regierung

 14.03.2025

New York

Im Trump Tower: Demo gegen Abschiebung eines Israelfeindes

Die USA wollen einen israelfeindlichen Aktivisten abschieben. Noch gab es kein Gerichtsverfahren, das Weiße Haus sieht sich im Recht. Jetzt gab es Protest – an einem symbolträchtigen Ort

 14.03.2025

Solidarität

»Wir haben Potter als einen mutigen Journalisten kennengelernt«

Der Journalist Nicholas Potter ist seit Wochen das Ziel einer Rufmordkampagne, initiiert von einem dubiosen Propaganda-Portal und befeuert von antiisraelischen Aktivisten. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden

von Nils Kottmann  14.03.2025 Aktualisiert