Seit einem halben Jahr ist der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, im Amt. Erste Schritte im Kampf gegen zunehmende Judenfeindlichkeit in Deutschland sind getan, Zeichen gesetzt, betont Klein, der auch für den Kontakt zur jüdischen Gemeinschaft in Deutschland zuständig ist. Zwar ging der Aufbau des Mitarbeiterstabes, der ihm innerhalb des Bundesinnenministeriums zuarbeiten soll, nicht so schnell, wie er es sich gewünscht hätte. Inzwischen gebe es aber eine Struktur.
Im neu geschaffenen Referat für den Kampf gegen Antisemitismus und in dem um den Themenbereich »Jüdisches Leben« erweiterten Referat für Religionsgemeinschaften innerhalb des Innenministeriums werden insgesamt acht Personen arbeiten, darunter auch jüdische Mitarbeiter. »Wir haben die volle Unterstützung der Ministeriumsspitze«, sagt Klein.
dunkelziffer In Berlin wurde kürzlich das erste bundesweite Meldesystem für antisemitische Vorfälle ins Leben gerufen, die unter der Strafbarkeitsgrenze liegen. Klein hat die Schirmherrschaft dafür übernommen und unterschiedliche Akteure, unter anderem das Bundesfamilienministerium, mit an den Tisch gebracht, um die Finanzierung zu sichern. »Mit dem neu eingeführten bundesweiten Meldesystem möchten wir die Dunkelziffer verkleinern«, betont Klein. »Zusätzlich soll künftig auch eine Opferberatung für Betroffene vermittelt werden.«
Bayern, Baden‐Württemberg, Rheinland‐Pfalz und Hessen hatten eine Vorreiterfunktion bei der Berufung eigener Beauftragter.
Demnach arbeiten parteieigene Berichterstatter der fünf Bundestagsfraktionen mit Klein als Vertreter der Bundesregierung zusammen. Über eine erste Gesetzesinitiative wurde in dem Kreis bereits gesprochen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gegen religiöse, sexuelle und Geschlechter-Diskriminierung soll um einen Passus gegen Diskriminierung aufgrund der »Nationalität« ergänzt werden. Außerdem will Klein mit einem »Expertenkreis Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus« entwickeln. Dem Fünfergremium werden zwei jüdische und zwei nichtjüdische Experten sowie ein muslimischer Sachverständiger angehören.
Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen hatten eine Vorreiterfunktion bei der Berufung eigener Beauftragter für jüdisches Leben und die Bekämpfung des Antisemitismus auf Länderebene. Das Saarland hat Anfang der vergangenen Woche mit der Benennung des früheren Präsidenten des saarländischen Verfassungsgerichtshofs, Roland Rixecker, nachgezogen.
Neuberufungen In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung mit der Berufung der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Phalanx der Antisemitismusbekämpfer gestärkt. Auch in der Magdeburger Staatskanzlei gibt es nun einen »Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus«, teilte Regierungssprecher Matthias Schuppe am Dienstag nach der Kabinettssitzung mit.
Wolfgang Schneiß, Referatsleiter für bundespolitische Themen, werde diese neuen Aufgaben ab sofort wahrnehmen. Der Antisemitismusbeauftragte auf Landesebene sei dem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) direkt unterstellt. Die Stelle wurde nicht neu geschaffen, sondern an ein bestehendes Referat gebunden. Nur die nördlichen Bundesländer zeigen sich zögerlich, eigene Beauftragte sollen derzeit nicht berufen werden. Eines der Ziele ist eine einheitliche Rechtsanwendung.
Bayern setzt beim Kampf gegen die Judenfeindlichkeit inzwischen erneut Zeichen: Das bayerische Justizministerium hat in seinen drei Oberlandesgerichtsbezirken München, Bamberg und Nürnberg eigene staatsanwaltliche Zuständigkeiten geschaffen. Als »Zeichen, dass antisemitische Straftaten von der bayerischen Justiz nicht toleriert und strafrechtlich verfolgt werden«, betont Thomas Goger, Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und stellvertretender Leiter der Zentralstelle Cybercrime Bayern. »Da sich viele antisemitische Straftaten im Internet abspielen und dort die Hemmschwelle eindeutig gesunken ist, war es wichtig, dies miteinander zu verzahnen.«
ziele Eines der Ziele Gogers und seiner Kollegen ist es, »eine ›einheitliche Rechtsanwendung‹ sicherzustellen«, damit es »keine unterschiedliche Rechtsauslegung« gibt. Auch innerhalb der Staatsanwaltschaften sei es laut Goger notwendig, die ermittelnden Staatsanwälte für die sich stetig wandelnden Erscheinungs- und Ausdrucksformen des Antisemitismus zu sensibilisieren. »Wir müssen uns ständig vergegenwärtigen: Was ist noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt, und was ist bereits strafbar«, betont der Oberstaatsanwalt.
Ein erster Schritt sei die Verbesserung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik gewesen, sagt Michael Blume.
»Die Hasskriminalität im Internet nimmt zu«, bestätigt auch der baden-württembergische Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, der Religionswissenschaftler Michael Blume. »Die Zahl und der Ton antisemitischer Medien im Netz eskaliert«, bedauert der Referatsleiter für nichtchristliche Religionen im Staatsministerium. Ein erster Schritt sei die Verbesserung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik gewesen. »Wir brauchen mehr und bessere Daten.«
Schulen Inzwischen seien in Baden-Württemberg auch die Schulleitungen verpflichtet worden, antisemitische Vorfälle zu melden. »Dies ist ein wichtiger Schritt.« Neben dem Meldewesen werde künftig auch ein interkonfessionelles Expertengremium die baden-württembergische Regierung in Sachen Antisemitismus beraten. Der Effekt durch die Sensibilisierung der Zivilgesellschaft sei enorm. »Die Resonanz ist groß. Die Menschen in Baden-Württemberg bewegt das Thema«, sagt Blume.
Im Rahmen seiner Arbeit hat sich Felix Klein auch mit Vertretern der »Alternative für Deutschland« im Bundestag getroffen. Ein Treffen, das nicht überall Zustimmung fand. Gleichwohl: Klein hält auch Gespräche mit der AfD für sinnvoll, zumal er eingeladen worden sei. »Ich spreche mit allen im Bundestag vertretenen Parteien«, betont er trotz inhaltlicher Differenzen, »und mache meine Position klar.«