Interview

»Der Zoo kann mehr tun«

Raed Saleh über Verantwortung, Erinnerungskultur und Berlin als weltoffene Stadt

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  27.05.2015 12:11 Uhr

Raed Saleh Foto: dpa

Raed Saleh über Verantwortung, Erinnerungskultur und Berlin als weltoffene Stadt

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  27.05.2015 12:11 Uhr

Herr Saleh, der Berliner Zoo arbeitet seine Nazi-Vergangenheit nur zögerlich auf. Wie passt das zu Berlins Image als weltoffene, tolerante Stadt?
Es würde weder zu Berlin noch zu Deutschland passen – zumal 70 Jahre nach Kriegsende. Deshalb habe ich Zoodirektor Andreas Knierim vor gut zwei Monaten auf das Thema angesprochen, und er hat mir eine große Offenheit für das Thema zugesagt. Ich finde, die Überlebensfähigkeit einer Stadt zeigt sich nicht zuletzt im Umgang mit ihrer Geschichte. Dazu gehört auch das unrühmliche Vorgehen des Berliner Zoos gegen seine jüdischen Aktionäre während der Nazi-Zeit. Der Zoo muss sich seiner Verantwortung stellen.

Herr Knierim ist erst seit einem Jahr im Amt. Das Land Berlin bezuschusst die Zoo-Aktiengesellschaft regelmäßig. Wozu genau haben Sie dem neuen Zoodirektor geraten?
Ich habe ihm deutlich gemacht, dass es hier um das Eingeständnis und die Anerkennung eines Unrechts geht. Dass die Stolpersteinverlegung eine gute Gelegenheit ist, ein Zeichen zu setzen – auch wenn es erst einmal nur eine Geste ist. Aber Wertschätzung beginnt oft schon mit einer symbolischen Handlung.

Zum Beispiel?
Ich habe Herrn Knierim insbesondere drei Punkte ans Herz gelegt: zu der Stolpersteinverlegung zu gehen, die Familie Singer in Berlin zu treffen und den Kontakt auch danach weiter zu pflegen, etwa mit einem Besuch in New York. Ich bin froh, dass er genau das umgesetzt hat.

Sie selbst setzen deutliche Zeichen – indem Sie Synagogen und Moscheen besuchen und Berliner Schülern mit Migrationshintergrund die KZ-Gedenkstätte Auschwitz zeigen. Welche Zeichen empfehlen Sie dem Zoo?
Eine Studie in Auftrag zu geben und eine Gedenktafel anzubringen, ist ein Anfang. Doch der Zoo kann da noch viel mehr tun. Etwa Straßen nach ehemaligen jüdischen Aktionären benennen oder ihnen zu Ehren ein Haus einweihen. Das sind nur einige Ideen. Es gibt viele Möglichkeiten, um seine Verantwortung auch öffentlich zum Ausdruck zu bringen.

Schadet die zögerliche Haltung des Zoos in puncto NS-Aufarbeitung dem Ansehen Berlins?
Sie fördert jedenfalls nicht die Anerkennungs- und Erinnerungskultur, der ich mich verpflichtet fühle: Wer hier geboren wurde und lebt, ist Teil des Landes und muss sich dementsprechend auch mit dessen Schattenseiten auseinandersetzen. Jüdisches Leben ist nach Berlin zurückgekehrt – gibt es ein schöneres Kompliment für unsere Stadt? Wir können Vorbild sein für andere Städte in Europa.

Raed Saleh initiierte vor zehn Jahren den Dialog der Religionen und setzt sich nachdrücklich gegen Rassismus und Antisemitismus ein.

Mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.

Lesen Sie mehr in unserer Printausgabe am 28. Mai.

Interview

»Niemand soll jetzt die Hände in Unschuld waschen«

Michel Friedman über seinen Austritt aus der CDU, die Debatte um Friedrich Merz und die Bedeutung von Glaubwürdigkeit in der Politik

von Michael Thaidigsmann  30.01.2025

Frankfurt am Main

»Antisemitische Reaktion« im Studio des Hessischen Rundfunks

Die deutsch-israelische Informatikexpertin Haya Schulmann erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Moderatorin und die Redaktion des Hessischen Rundfunks

von Imanuel Marcus  30.01.2025 Aktualisiert

Frankfurt

»Unentschuldbares Machtspiel«: Michel Friedman tritt aus CDU aus

Friedrich Merz habe mit der Abstimmung im Bundestag die »Büchse der Pandora« geöffnet, so der Publizist

 30.01.2025

Geiselabkommen

Sorge um das Schicksal der verbliebenen deutschen Geiseln

Tut die Bundesregierung genug für ihre verschleppten Staatsbürger in Gaza? Kritiker haben daran Zweifel

von Detlef David Kauschke  30.01.2025

Studie

Wann war die AfD bei Abstimmungen wichtig?

Die AfD hat im Bundestag für eine Mehrheit des Unionsantrags für schärfere Migrationspolitik gesorgt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie Mehrheiten beschafft

 30.01.2025

Vandalismus

CDU-Geschäftsstellen in Dortmund und Lünen beschmiert

Zuvor wurde eine Schützenhalle im Sauerland besprüht. Die Taten stehen mutmaßlich im Zusammenhang mit einem Unionsantrag, der mithilfe von AfD-Stimmen im Bundestag verabschiedet wurde

 30.01.2025

Debatte

Holocaust-Überlebende Eva Umlauf: »Tun Sie es nicht, Herr Merz«

Eva Umlauf hat als kleines Mädchen das NS-Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Sie richtet einen direkten Appell an die Union, nicht mit der AfD zu stimmen

 30.01.2025

Berlin

NS-»Euthanasie«-Opfer erhalten Anerkennung durch den Bundestag

Die Nationalsozialisten ließen massenhaft Patienten und Insassen von Heil- und Pflegeanstalten sowie von »rassisch« und sozial unerwünschten Menschen ermorden

 30.01.2025

Freiburg

Jüdische Gemeinde sieht »untragbare Lage« an Albert-Ludwigs-Universität

In einem offenen Brief an Rektorin Kerstin Krieglstein heißt es, jüdische Studenten würden ausgegrenzt. Das ist offenbar nur die Spitze des Eisbergs

von Imanuel Marcus  30.01.2025