Montagnachmittag, 15 Uhr auf dem Bebelplatz in Berlin. Der neue israelische Botschafter, Ron Prosor, hat einen symbolischen Ort für seine erste öffentliche Rede gewählt: Auf dem Bebelplatz ließen die Nazis am 10. Mai 1933 mehr als 20.000 Bücher politisch unliebsamer Autoren verbrennen – viele von ihnen waren Juden.
Mit diesem Auftritt vor einem Dutzend Journalisten und Botschaftsmitarbeitern, begleitet von seiner Frau Hadas, seinem Sohn Lior und weiteren Familienmitgliedern, setzt der 63-Jährige gleich zum Auftakt seiner Amtszeit ein starkes Zeichen. Seine Botschaft: Von ihm sind keine leisen Töne zu erwarten. Gleichzeitig zeigt der Diplomat sich offen, herzlich und umgänglich – und spricht im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Jeremy Issacharoff fließend Deutsch.
MISSION Ron Prosor sagt: »Ich freue mich, hier zu sein.« Dann wechselt er ins Hebräische. Er habe sich dafür entschieden, direkt von der offiziellen Amtseinführung im Bundespräsidialamt zum Bebelplatz zu kommen, um eine nationale und eine persönliche Mission zu verbinden, erklärt der 63-Jährige. Er erinnert an Heinrich Heine, dessen Bücher an diesem Ort von den Nazis verbrannt wurden, und an dessen prophetisches – so Prosor – Zitat aus der Tragödie Almansor von 1823: »Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.«
Für Ron Prosor, der 1958 in Kfar Saba geboren wurde, ist Berlin keine Stadt wie jede andere. Sein Großvater Berthold Proskauer war Offizier in der Reichswehr: »Er hat sich sein ganzes Leben lang als Preuße bezeichnet.« Er habe seine Heimat nicht verlassen wollen. Seine Großmutter Elfriede Proskauer dagegen habe als Krankenschwester »die Weitsicht gehabt, dass die Familie Deutschland verlassen muss«. Das habe die Familie gerettet. »Wer hätte gedacht, dass ich, der Enkel des stolzen preußischen Berthold Proskauer, einmal als Botschafter den Staat Israel in Deutschland vertreten werde.«
wurzeln Dann fährt er auf Deutsch fort – und beginnt mit »Liebe Leute«. Für ihn sei der Posten in Berlin »nicht nur eine berufliche Aufgabe«, sagt Prosor. »Es ist auch eine sehr persönliche und emotionale Angelegenheit. Ich kehre zu den deutschen Wurzeln meiner Familie zurück. Als stolzer Israeli.« Weiter sagt er: »Ich bin der Sohn von Uri Prosor, der 1927 nicht weit von mir entfernt an der Eisenzahnstraße 3 als Ulrich Proskauer geboren wurde.« Sein Vater, dessen Schwester und seine Großeltern seien 1933 aus Berlin nach Palästina geflohen. »Das war fünf Monate, nachdem hier genau auf diesem Platz die Bücher gebrannt haben.«
Prosor wird auf dem Bebelplatz von mehreren Jugendlichen begleitet, die im israelisch-deutschen Jugendaustausch aktiv sind. Er ernennt die jungen Leute symbolisch zu »Botschaftern« und sagt: »Sie sind die echten Botschafter der Zukunft.« Den Ausbau des Jugendaustausches zwischen beiden Ländern sehe er als eines seiner wichtigsten Ziele.
So viel ist klar: Von Ron Prosor sind keine leisen Töne zu erwarten.
Am Montagvormittag hatte Prosor sein Beglaubigungsschreiben an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übergeben. Beide nutzten die Zeremonie für einen Gedankenaustausch zu den deutsch-israelischen Beziehungen. Diese seien »von großer Tiefe und Lebendigkeit geprägt«, heißt es später aus dem Präsidialamt. Steinmeier sei überzeugt, dass mit Prosor »als einem unserem Land seit Langem verbundenen Diplomaten die besondere Freundschaft zwischen Israel und Deutschland weiter ausgebaut werden kann«.
Die Bundesrepublik ist für Ron Prosor kein unbekanntes Land: Von 1988 bis 1992 war er Sprecher der israelischen Botschaft in Bonn. Der Artillerieoffizier im Rang eines Majors gilt als einer der profiliertesten israelischen Diplomaten. Zwischen 2011 und 2015 war Prosor Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen. Bei einem seiner bekanntesten Auftritte unterbrach er im Juli 2014 seine Rede vor dem UN-Sicherheitsrat und spielte von seinem Mobiltelefon die Aufnahme einer israelischen Sirene ab, die einen Raketenangriff aus Gaza ankündigte. Zwischen 2007 und 2011 vertrat Prosor sein Land in Großbritannien. 2016 übernahm er die Leitung des Abba-Eban-Instituts für Internationale Diplomatie in Herzliya.
twitter Dass Ron Prosor kein Blatt vor den Mund nimmt, zeigte er auch in Deutschland mit einer starken Social-Media-Präsenz. Nachdem Mahmud Abbas im Kanzleramt von »50 Holocausts« Israels an den Palästinensern gesprochen hatte, twitterte Prosor am 17. August: »Die beschämende Erklärung von Mahmud #Abbas hat keine 50 Shades of Grey. Sie hat die pechschwarze Farbe der Unrechtmäßigkeit. Die Erklärung erinnert an seine Doktorarbeit, in der er den Holocaust unverblümt leugnete.«
Doch auch für die Probleme der Berliner Bevölkerung zeigte der Diplomat Gespür und Mitgefühl. Am 4. August, wenige Tage nach seiner Landung in Berlin, twitterte er: »Bei meinem Morgenlauf konnte ich den schrecklichen Rauch von den Bränden im #Grunewald riechen. Leider verwüsten diese Brände weiterhin die umliegenden Wälder. Ich möchte allen Feuerwehrleuten vor Ort, die derzeit gegen die Flammen kämpfen, meine tiefe Anerkennung aussprechen.« Ein nahbarer Diplomat, der Klartext spricht – so präsentierte sich Ron Prosor bereits vor seinem offiziellen Amtsantritt am 22. August in Berlin.