Der Staat will’s wissen. Am Montag haben die Interviews zur ersten bundesweiten Volkszählung seit 1987 begonnen. Im Rahmen des Zensus werden stichprobenartig fast acht Millionen Menschen befragt. Wer zur Auskunft aufgefordert wird, muss teilnehmen und hat laut Paragraf 15, Absatz 3 des Bundesstatistikgesetzes wahrheitsgemäß zu antworten. Pikanterweise müssen die Befragten – anders als oft zu lesen – auch Angaben zu ihrer Religionszugehörigkeit machen, sofern sie Mitglied einer Gemeinde sind. Doch was geht es den Staat an, wie und wo ich bete? Soll doch jeder nach seiner Façon selig werden, schrieb schon 1740 der Alte Fritz. Religion ist Privatsache, auch wenn sie in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft praktiziert wird. Die Gretchenfrage passt so gar nicht ins 21. Jahrhundert.
Anders als die meisten Christen haben viele Juden Bedenken, sei es in der Nachbarschaft oder gegenüber Ämtern, darüber zu reden, dass sie einer Gemeinde angehören. Tief sitzt die Angst vor Antisemitismus. Manch älteres Gemeindemitglied erinnert sich noch mit Schrecken daran, wie die deutschen Behörden vor wenigen Jahrzehnten akribisch erfassten, wer Jude ist. Wie kann es einem da leicht fallen, wahrheitsgemäß zu antworten? Und wem nutzt diese Angabe? Zugegeben, auch der Staat darf sein Recht einfordern. Doch alles hat seine Grenzen. Mit der Gretchenfrage ist eine überschritten.