Arthur Engoron war Taxifahrer, spielte in einer Band und demonstrierte gegen den Vietnamkrieg. Als Richter in der Stadt New York hat er sich mit Hunderten von Rechtsfällen befasst, über alles Mögliche, von Disputen über Bebauungspläne, Fragen der Meinungsfreiheit bis hin zum Streit um das Sorgerecht für einen Hund namens »Stevie«.
Jetzt, da sich seine bereits 20-jährige Karriere auf dem Richterstuhl allmählich dem Ende zuneigt, führt der hochgebildete jüdische Jurist den Vorsitz über den bislang größten Zivilprozess in seiner Laufbahn: Er entscheidet über die Zukunft des Immobilienimperiums von Donald Trump. Dem Ex-Präsidenten und Präsidentschaftsbewerber für 2024 wird unter anderem vorgeworfen, Vermögenswerte in Geschäftsberichten eklatant aufgeblasen zu haben, um etwa an günstigere Konditionen bei Krediten oder Versicherungsverträgen zu kommen.
Auflösung Bereits in der vergangenen Woche hatte Engoron befunden, dass sich Trump des Betruges schuldig gemacht habe. Als Strafe will er eine Auflösung mehrerer seiner Firmen - ein Schritt, der dem Ex-Präsidenten die Kontrolle über New Yorker Spitzenimmobilien wie Trump Tower nehmen könnte.
In dem am Montag begonnenen Prozess in Manhattan geht es um weitere Einzelheiten im Zusammenhang mit der Zivilklage, die die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James gegen Trump, dessen Unternehmen und Topmanager eingereicht hat. So wird Engoron auch über die Verhängung von Geldbußen entscheiden. James fordert, dass Trump 250 Millionen Dollar an Wiedergutmachung zahlt. Zudem will sie erreichen, dass der Ex-Präsident und seine Trump Organization künftig keine Geschäfte in New York mehr machen dürfen. Es ist ein Verfahren ohne Geschworene, der Richter allein hat das Sagen.
Trump und Engoron, der mit 74 ein paar Jahre jünger ist als der Ex-Präsident, saßen sich am Montag im Gerichtssaal gegenüber, nachdem sich der Verklagte überraschend entschieden hatte, persönlich zu den Eröffnungsplädoyers zu erscheinen. Er bestreitet jegliches Fehlverhalten und zog am Vorabend des Prozessbeginns auf seiner Plattform Truth Social vom Leder, wetterte, Engorons Betrugsurteil komme »einer unternehmerischen Todesstrafe« gleich.
Tiraden »Ich habe einen gestörten, Trump-hassenden Richter, der diesen Fake-Fall in einem Gericht in NYS (Staat New York) in einem Tempo durchzieht, das man noch nie erlebt hat«, lamentierte der Ex-Präsident weiter. Auch direkt vor Prozessbeginn, im Flur vor dem Gerichtssaal, ließ Trump neue Tiraden gegen Engoron wie auch James los.
Engoron, ein Demokrat, hat in den drei Jahren, in denen er bereits mit dem Fall befasst ist, wiederholt gegen Trump entschieden. Er zwang ihn zu einer eidlichen Aussage, belangte ihn wegen Missachtung des Gerichts und verhängte eine Buße von 110.000 Dollar gegen ihn.
Aber Engoron ist auch ein Mann mit Humor, den er häufig in seinen Verfahren durchblitzen lässt, sogar in ernsteren Fällen. In einer Anhörung im Fall Trump am vergangenen Mittwoch, einen Tag nach seinem Betrugsurteil, wiederholte er zum Beispiel eine - oft erzählte - Geschichte über einen Richter, der am Ende Jedem zustimmt, der in seinem Gerichtssaal das Wort ergreift.
Zitate Er liebt auch Wortwitze und Wortspiele, und häufig würzt er seine Urteile mit Songtexten, Zitaten aus Kinofilmen und manchmal auch mit einer kleinen Lektion in Sachen New Yorker Geschichte. Er hat Bob Dylan und Shakespeare zitiert, und 2017 griff er zu einem Reim aus einem Song von Frank Sinatra, um ein Urteil zu erläutern.
Im Sorgerechtsstreit um den Hund »Stevie« revidierte er 2015 seine vorausgegangene Entscheidung, nach der getan werden müsse, was im besten Interesse des Hundes sei. Zur Begründung sagte er, Tieren Rechte zuzuerkennen führe zu einer Schieflage. »Wenn Hunden Rechte zugesprochen würden, warum dann nicht Katzen, Waschbären, Eichhörnchen, Fischen, Ameisen, Kakerlaken? Könntest du inhaftiert werden, weil du eine Fliege geklatscht hast? Wo wird das alles enden?«
Egorons Urteile enthalten auch oft biografische Informationen. So enthüllte er in einer Entscheidung, dass er an »großen, manchmal stürmischen Vietnamkriegsprotesten« teilgenommen habe. Er hat sich außerdem als »Absolutist freier Meinungsäußerungen« bezeichnet und mitgeteilt, dass er seit 1984 Mitglied der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union sei, einer äußerst aktiven Vereinigung von Anwälten.
Taxifahrer Engoron studierte zunächst an der renommierten Columbia University und verdiente sich währenddessen Geld als Taxifahrer. Seinen Jura-Abschluss machte er 1979 an der New York University. Er war als Prozessanwalt tätig und elf Jahre lang Referendar für einen Richter am staatlichen New York Supreme Court in Manhattan, dem selben Gericht, an dem er jetzt arbeitet, und zwar seit 2013, zunächst in amtierender Richterfunktion, dann ab 2016 als gewählter Richter.
Seine Richterkarriere hatte er 2003 begonnen, an einen New Yorker Zivilgericht, das sich mit kleineren Fällen befasst. Seine jetzige Amtszeit läuft bis 2029, aber New York schreibt vor, dass Richter in höheren Positionen wie seiner in Pension gehen, wenn sie 76 Jahre alt sind.
Trumps Anwälte hatten ursprünglich versucht, eine Verlegung des Prozesses in die Kommerzielle Abteilung des Gerichts zu erreichen, die auf komplexe Rechtsstreitigkeiten um Unternehmen spezialisiert ist, aber ein Verwaltungsrichter entschied, dass der Fall bei Engoron angesiedelt bleibt, da dieser bereits mit der Materie vertraut sei.
Als Trumps Anwaltsteam am vergangenen Mittwoch eine seltene Einigung mit der Generalstaatsanwaltschaft in Prozedurfragen erzielte, kommentierte Engoron dies mit den Worten: »Ich wusste, dass dieser Fall ein Liebesfest wird.«