diplomatie

Der Leisetreter

UN-Generalsekretär Bans Rolle im Nahostkonflikt

von Jan Dirk Herbermann  21.04.2010 11:57 Uhr

Vor Ort: UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon (r.) in Gaza-Stadt. Foto: Reuters

UN-Generalsekretär Bans Rolle im Nahostkonflikt

von Jan Dirk Herbermann  21.04.2010 11:57 Uhr

Er ist kein Mann der scharfen Töne. Ban Ki-Moon mag es leise. Oft zu leise, wie Kritiker des achten Generalsekretärs der Vereinten Nationen mäkeln. Am Abend des 20. März in Jerusalem aber bediente sich der Mann aus Südkorea einmal nicht diplomatischer Floskeln. Vor einem Dinner bei Israels Präsident Schimon Peres steuerte der 65-jährige Ban direkt auf den Konflikt mit den Palästinensern zu. »Für die Israelis müssen die Verhandlungen zu einer wirklichen, permanenten Sicherheit führen«, verlangte Ban. Und er versicherte den anwesenden israelischen Politikern: »Ich werde immer fair, objektiv und offen sein.« Dann listete er Forderungen auf: Die Israelis müssten einen Siedlungsstopp verhängen und die Blockade des Gazastreifens beenden. Die Hamas wiederum müsse sofort den Raketenbeschuss auf Israel einstellen und Gilad Schalit freilassen. Am Ende dankte Ban seinen israelischen Gastgebern ausdrücklich für ihre »sehr großzügige und sehr effektive Hilfe« für die Erdbebenopfer in Haiti: »Das war ein wunderbarer Ausdruck globaler Solidarität und großer Humanität.«

mahner Die Rede fügt sich nahtlos in Bans Nahostpolitik ein: Seitdem der frühere Außenminister Südkoreas 2007 das höchste Amt der Vereinten Nationen antrat, bemüht er sich redlich um einen Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern – ohne Erfolg. Das aber erwartet auch niemand. Denn seit Jahrzehnten versuchen sich die USA als Vermittler zwischen Arabern und Israelis – für den UN-Generalsekretär bleibt allenfalls die Rolle des Mahners. Das gilt auch für die anderen Politikfelder, die Ban beackert. Der Mann gibt sich Mühe, erzeugt aber kaum Wirkung. Das renommierte US-Magazin Foreign Policy warnte gar vor einer »irrelevanten« UN. Ban sei ein »Dilettant auf der internationalen Bühne«. Das mache ihn »zum weltweit gefährlichsten Koreaner«. Noch vor Nordkoreas Diktator Kim Jong-Il.

abwesenheit Auch in der UN hält man sich nicht mehr zurück. Während der Koreaner früher nur im Flüsterton oder nach einigen Drinks kritisiert wurde, bekam die Ban-Schelte letztes Jahr einen offiziellen Stempel. In einem Schreiben der UN-Botschaft Norwegens stand: »In einer Zeit, in der die UN und multilaterale Lösungen zur Bewältigung globaler Krisen nötiger als jemals zuvor sind, machen sich Ban und die UN durch Abwesenheit bemerkbar.«

Bans gesamte Amtszeit könnte als verlorene in die UN-Chronik eingehen. Weder konnte er helfen, einen der vielen Konflikte dieser Welt zu lösen – Beispiel Nahost –, noch konnte er im Kampf gegen Unterdrückung und Armut punkten. Zu seiner großen Mission hatte Ban den Klimaschutz erklärt. Doch die Konferenz in Kopenhagen endete mit einem Minimalkonsens. Kritiker machten Ban für das Scheitern mitverantwortlich.
Die Attacken auf seine Person lassen Ban kalt. »Prinzipiell begrüße ich Kritik«, sagt er, und sein Gesicht zeigt keine Regung. »Kritik, wenn sie konstruktiv ist, hilft mir.« Doch jüngst bekannte er in aller Öffentlichkeit, dass Südkoreas Medien ihn den »schlüpfrigen Aal« nennen: Keiner entwindet sich so glatt den nervigen Fragestellern wie Ban, der vor Kurzem mit dem Bekenntnis überraschte: »Ich bin bekannt als der unsichtbare Mann.«

Trotz aller Kritik: In der Öffentlichkeit will kein UN-Funktionär den Chef bloßstellen. »Der Generalsekretär hilft in den vielen humanitären Krisen, wo er kann«, erklärt John Holmes, UN-Koordinator für humanitäre Hilfe. Auf Ban könne er sich »absolut« verlassen, betont der britische Karrierediplomat und streicht sich über seine Krawatte. Andere Diplomaten erinnern an den ersten UN-Generalsekretär, Trygve Lie, der geklagt hatte, die Stelle sei »der unmöglichste Job der Welt«.

Schwäche Der Generalsekretär muss es tatsächlich allen recht machen. 192 UN-Mitglieder wollen so viel wie möglich für sich herausholen. Und die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich – fühlen sich als die wirklichen Führer der Welt. Vor allem die Amerikaner richten einen skeptischen Blick auf den Generalsekretär. Nach dem Ausscheiden von Bans Vorgänger, Kofi Annan, wurde die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice zitiert: »Ich bin nicht sicher, ob wir einen starken Generalsekretär wollen.«

Ban Ki-Moon kam den Amerikanern wie gerufen. Zusammen mit China drückte Washington 2006 den asiatischen Kandidaten durch. Will Ban eine zweite Amtszeit anstreben, muss er jetzt mit dem Wahlkampf beginnen. 2011 werden die fünf Vetomächte im Sicherheitsrat entscheiden, wer ab 2012 den UN-Chefposten bekleidet. Wird es wieder der unsichtbare Mann?

USA

Hitlergruß: Nach Musk nun Bannon?

Steve Bannon, einst Chefideologe von Donald Trump, hat bei einer Rede vor rechten Aktivisten eine umstrittene Geste gezeigt

von Michael Thaidigsmann  21.02.2025

Berlin

»Welt«-Gruppe gedenkt der Bibas-Familie

»All jene, die in Deutschland den Islamismus verharmlosen oder relativieren, sollten in die Gesichter der Bibas Kinder sehen«, betont »Welt«-Chefredakteur Jan Philipp Burgard

 21.02.2025

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Demoskopie

Abstimmung gegen Antisemitismus?

So wahlentscheidend sind jüdische Themen

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Berlin

KZ-Gedenkstätten: Wählen gehen für die Demokratie

Rutscht die Gesellschaft weiter nach Rechts? Die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten sieht die Bundestagswahl als Chance, diesen Trend zu stoppen

 20.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

WHO

Polio-Impfkampagne im Gazastreifen geht weiter

Weil das Poliovirus wieder in Abwasserproben nachgewiesen wurde, sollen in Gaza erneut etliche Mädchen und Jungen gegen Kinderlähmung geimpft werden. Start der Kampagne ist bereits in wenigen Tagen.

 19.02.2025