Es gibt Momente, da wird Geert Wilders auch schon mal pathetisch: »Wir alle tragen Jerusalem in unserem Blut, in unseren Genen. Wir alle leben und atmen Jerusalem«, sprach Wilders, der niederländische Rechtspolitiker. »Wir sprechen Jerusalem, wir träumen Jerusalem«. Nachdem er seine Rede beendet hatte, erhielt Wilders großen Beifall von mehreren Hundert Händen. Das war im Dezember 2008 in Israel auf einer Konferenz mit dem Titel »Facing the Jihad«.
Doch in den Niederlanden muss sich Wilders, der sich als Islamkritiker versteht, ab dem 20. Januar vor Gericht verantworten. Diskriminierung von muslimischen Immigranten wird ihm vorgeworfen. Wilders’ Partei, die er selbst gegründet hat, Partij voor de Vrijheid, war bei der Europawahl im Juni 2009 mit 17 Prozent zweitstärkste politische Kraft der Niederlande geworden.
Die wohlmeinenden Worte für Israel sind kein Zufall. Als junger Mann lebte Wilders eine Zeit lang in einem Kibbuz bei Jericho, 40-mal hat er nach eigenen Angaben seitdem das Land besucht. »Ein besonderes Gefühl der Verbundenheit« spüre er jedes Mal, wenn er am Ben-Gurion-Flughafen ankomme. Einfach ist diese Beziehung dennoch nicht. Wilders, der als Ikone im Kampf gegen Islamisierung gilt, hat recht eindeutige Ansichten: Der Islam sei keine Religion, sondern eine faschistische Ideologie. Den Koran vergleicht er mit Mein Kampf, aus dem Muslime die Hälfte der Seiten reißen müssten, wollten sie in den Niederlanden bleiben. Israel, von Wilders als einzige Demokratie im Nahen Osten hoch geschätzt, ist allerdings zu pluralistisch, als dass Wilders überall begeistert willkommen geheißen würde. Die Konferenz, auf der er seine Lobesrede hielt, war von Arjeh Eldad organisiert worden, dem Chef der nationalreligiösen Partei »Nationale Union«. Eldad lobt an Wilders, dass dieser »laut zu sagen wagt, dass der Islam eine mörderische Religion ist, und das ist selbst in Israel selten«.
Auch unter niederländischen Juden ist Wilders äußerst umstritten. »Seine Einstellung zum Nahost-Konflikt gehört ins extremnationalistische Lager«, kritisiert Jaap Hamburger, Vorsitzender der Initiative »Ein anderer jüdischer Klang«. Hamburger wirft Wilders zudem vor, er wolle »zig Millionen Muslime aus Europa« abschieben. Daher attestiert er ihm eine Tendenz zur »ethnischen Säuberung«.
Ähnlich äußert sich Rabbiner Issachar Tal, Gründer der progressiven Gemeinde Klal Israel in dem Städtchen Delft. Wenn Wilders sich sorgt, »was in die Niederlande kommt und sich hier fortpflanzt«, fühle er sich an Goebbels erinnert, schreibt Tal in einem offenen Brief und fragt Wilders: »Versteckt sich unter Ihrer blonden Perücke ein Skinhead?« Doch die niederländischen Neonazis lehnen Wilders ab. Auf ihren Internetseiten wird er als »Zionist« und »Judenknecht« beschimpft. Es überrascht nicht, wenn Ruben Vis, der Generalsekretär der orthodoxen Nederlands-Israëlitisch Kerkgenootschap, sagt: »Über Wilders gibt es so viele Meinungen wie Gemeindemitglieder.«
Auch Cédric Sarfati hat eine Meinung. Der junge französische Unternehmer, der seit einem Jahr in Amsterdam wohnt, sagt: »Wilders kämpft gegen den Antisemitismus des politischen Islam.« Nicht nur deswegen hält es Sarfati für einen »Skandal«, dass der Politiker nun vor Gericht steht. »Man muss Wilders nicht zustimmen, aber er sollte seine Positionen klarmachen dürfen. Das gehört zur Meinungsfreiheit.« Sarfati ist ein säkularer, kosmopolitisch geprägter Jude, der in Paris vorwiegend mit muslimischen Freunden aufwuchs. Dass Wilders, um dem Islamismus Einhalt zu gebieten, die Zuwanderung von Muslimen einschränken will, findet er aber legitim.
Deutlich distanzierter äußern sich meist offizielle Vertreter jüdischer Gemeinden. Binyomin Jacobs, Oberrabbiner des Interprovinciaal Opperrabbinaat, hält Wilders zwar zugute, dass er die Gefahr durch Antisemitismus und islamistischen Terror thematisiere. Die pauschale Verurteilung von Muslimen allerdings stößt Jacobs auf. »Schließlich machen Terroristen nur einen sehr kleinen Prozentsatz der Muslime aus.« Dass Wilders deswegen nun vor Gericht steht, kommentiert der Oberrabbiner so: »Auch in einer Demokratie gibt es Einschränkungen. Toleranz ist ein hohes Gut. Aber Gedanken, die anderen keinen Raum lassen, müssen nicht toleriert werden.«