Zum 62. Jahrestag seiner Gründung könnte Israel eigentlich voller Stolz und Zuversicht nach vorne blicken. Es ist ein freiheitlicher, demokratischer Staat mit einer kosmopolitischen Bevölkerung und großer wirtschaftlicher Dynamik, führend nicht zuletzt im Bereich neuer Kommunikations- und Umwelttechnologie. Israel stünde besser da als je zuvor in seiner Geschichte – wäre da nicht der ewig ungelöste Nahostkonflikt, auf den der jüdische Staat in der internationalen Wahrnehmung zunehmend reduziert wird.
Seit einiger Zeit nämlich wendet sich der Diskurs der sogenannten Weltgemeinschaft immer deutlicher und bedrohlicher gegen Israel. Regelmäßig wird es von seinen Feinden auf Foren der Vereinten Nationen an den Pranger gestellt. Die unsägliche UN-»Antirassismus«-Konferenz in Genf konnte Irans Präsident Ahmadinedschad im vergangenen Jahr für seine eliminatorische antisemitische Propaganda nutzen. Der Westen brachte es nicht einmal fertig, diese schändliche Veranstaltung geschlossen zu boykottieren. Ende des Jahres nahm die UN-Vollversammlung den extrem einseitigen »Goldstone-Bericht« an, der Israel wegen seiner vermeintlichen Kriegsverbrechen in Gaza anklagt. Und seit US-Präsident Obama seine Vision von einer Welt ohne Atomwaffen verkündet hat, nutzen dies arabische Staaten sowie offene und verdeckte Propagandisten des Regimes in Teheran, um von der iranischen Atomrüstung abzulenken und Israel als nuklearen Störenfried Nr. 1 zu denunzieren.
Zwar haben sich die USA und andere führende westliche Staaten, allen voran Deutschland, antiisraelischen Resolutionen bisher widersetzt. Und die amerikanische wie die deutsche Regierung werden nicht müde, Bekenntnisse zur gesicherten Existenz Israels abzugeben. Doch in kaum einem Statement westlicher Staatenlenker, das die unerschütterliche Treue zu Israel betont, fehlt der Zusatz, man trete für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Durch die ständige Wiederholung dieses Zusammenhangs aber frisst sich der Eindruck ins öffentliche Bewusstsein, das Existenzrecht Israels sei an die Bedingung geknüpft, dass an seiner Seite in absehbarer Zeit ein palästinensischer Staat entsteht.
Zugleich wird der Druck auf Israel erhöht, der palästinensischen Seite weitere Zugeständnisse zu machen. Bereits erfolgte Konzessionen – Netanjahus definitives Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung, die er im konservativen Lager mit einigem Mut durchsetzen musste, das neunmonatige Moratorium des Siedlungsausbaus und die Aufhebung zahlreicher Checkpoints, die dem Westjordanland einen kleinen Wirtschaftsboom beschert haben – werden stets als »unzureichend« abgetan. Stattdessen versteift sich die neue US-Administration auf ultimative Forderungen wie den völligen Siedlungsstopp, was die palästinensische Seite ermutigt, maximalistische Vorbedingungen zu stellen, um auch nur in Gespräche mit Israel einzutreten.
Um seine Charmeoffensive gegenüber der »islamischen Welt« zu untermauern, hat Obama die Lösung des Nahostkonflikts sogar zu einem Gebot im Interesse der nationalen Sicherheit der USA erklärt. Das bedeutet, dass Israel, sofern es sich amerikanischen Friedensplänen nicht beugt, von einem engen Verbündeten in Sachen gemeinsamer Sicherheit in die Rolle eines tendenziellen Sicherheitsrisikos für die Vereinigten Staaten gerückt werden könnte.
Dabei ist nur allzu offensichtlich, wer die wirklichen Feinde eines Nahostfriedens sind: Die Hamas, die Israel in Gänze auslöschen will und Juden als zu vernichtende »Bakterien« bezeichnet. Die Hisbollah im Libanon, die derzeit offenbar von Syrien mit Scud-Raketen aufgerüstet wird, von denen fast jede israelische Stadt getroffen werden könnte. Und der Iran, der mit seinem Atomprogramm die Stabilität der gesamten Region unterminiert. Aber auch die vermeintlich so friedfertige Fatah bekräftigte vergangenen Sommer, sie betrachte den bewaffneten Kampf gegen Israel weiterhin als eine Option.
Gewiss, der Westen wird Israel nicht einfach fallen lassen. Doch die schleichende Delegitimierung des jüdischen Staates hat bereits gravierende Folgen: Ein wachsender Antisemitismus in Europa fühlt sich durch die dauernde Abstempelung Israels zum Bösewicht ermutigt. So tödlich verfeindet islamistische Fanatiker, klerikale Reaktionäre, Neonazis und linksradikale »Antizionisten« auf anderen Feldern auch sein mögen – was alle diese Antidemokraten und Antimodernisten eint, ist der Hass gegen Israel. Diese Tatsache sollte die westlichen Demokratien aufrütteln, endlich wieder deutlicher zu machen, auf welcher Seite sie stehen.
Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und der »Welt am Sonntag«.