An einer der Prachtstraßen Münchens liegt das neue israelische Generalkonsulat. Im April wurde es offiziell eingeweiht. Erst seit wenigen Wochen ist es aber richtig in Betrieb.
Davor gab es ordentlich zu tun Und dabei packten alle mit an, selbst der Polizist, der unten Wache hält. »Wir wissen nicht, wie lange wir hier in der Brienner Straße bleiben werden. Viele sprechen von einer Übergangsperiode. Aber sie wird nicht nur ein oder zwei Wochen dauern, und deshalb richten wir uns so ein, dass wir uns wohlfühlen.«
Generalkonsul Tibor Shalev Schlosser spricht gutes Deutsch. Er schließt die Tür hinter sich, sperrt die Hektik aus, öffnet ein Zeitfenster für den Gast.
Seit Anfang Juli führt Tibor Shalev Schlosser die, neben der Botschaft in Berlin, zweite Vertretung Israels in Deutschland an. Groß ist er, schlank, trägt eine unauffällige Brille, und man sieht ihm weder seine 50 Jahre noch seine sechs Kinder an. Ja, natürlich vermisst er die Familie. Ab und zu ist er mal ein Wochenende zu Hause, wenn es der Terminkalender zulässt.
An den Hohen Feiertagen war er zum Beispiel dort, im Kibbuz Gezer, wo er gelebt hat, bevor er nach München kam – außer er war sonst irgendwo unterwegs auf der Welt. »Die Allianz-Arena vom FC Bayern müsse ich mir anschauen, vorher bräuchte ich mich gar nicht wieder bei ihnen blicken lassen«, hatten ihm seine Kinder zuvor klargemacht. Was er ihnen mitbringe? »Den Papa und einen Koffer voller Schokolade.« Im nächsten Jahr hofft er, seine Ehefrau und zumindest ein paar von den Kindern zu sich nach München holen zu können. »Leicht wird das nicht. Die Kinder sind nicht mehr klein. Sie mögen ihre Heimat, sie haben tiefe Freundschaften, sie fühlen sich in Israel wohl.«
Pionierarbeit Tibor Shalev Schlossers zurückhaltende Art kann nicht verdecken, welche Freude es ihm bereitet, etwas aufzubauen, wovon er überzeugt ist. Er blickt nach vorn und ein bisschen stolz zurück: »Ich bin wohl der einzige israelische Diplomat, der zwei Generalkonsulate in Deutschland eröffnet hat.« Das andere stand in Berlin, und man braucht es heute nicht mehr. Von 1991 bis 1995 hatte er dort als ganz junger Diplomat die Aufgabe, Beziehungen zu den Ländern der ehemaligen DDR aufzubauen. »Das war Pionierarbeit!«
Es folgten Rom, Genf und zuletzt wieder Israel, wo er in den vergangenen drei Jahren der Internationalen Organisationsabteilung im Auswärtigen Amt als Direktor vorstand, als der er häufig nach New York zur UNO reiste. New York, München, wer will das vergleichen? Ein Diplomat bekommt das hin. »New York ist interessant, München ist schön, sehr, sehr schön.« Völlig überrascht sei er gewesen, als er mitten in der Stadt Surfer auf der Welle des Eisbaches hatte reiten sehen. Dann der Englische Garten, die Museen, der Blick auf ein winziges Stück Alpen von seiner Terrasse aus und in jedem Herbst das Oktoberfest – München »at its best«.
Was aber, wenn ein Israeli in all dem bayerischen Treiben seinen Pass verliert? Dann muss er sich weiterhin an die Botschaft in Berlin wenden. Aus technischen Gründen gibt es in München noch keinen Publikumsverkehr. Irgendwann wird auch das möglich sein, »wir sind sehr jung und dynamisch, und wir werden wachsen«. In den Tätigkeitsbereich des neuen Konsulats fallen neben Bayern auch die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und das Saarland. Überall dort muss es natürlich das Anliegen des Konsuls sein, die Beziehung zwischen Israel und Deutschland »zu verstärken und zu vertiefen«, wie er sagt – »und zwar in allen Bereichen, aber ganz besonders wichtig wird unsere Wirtschaftsabteilung werden«.
Nur wenige Gehminuten vom israelischen Generalkonsulat entfernt, liegt der ehemalige »Führerbau«, ein Repräsentationsbau für Adolf Hitler. Heute befindet sich die Hochschule für Musik und Theater hier. In der anderen Richtung kommt man am »Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft« vorbei.
»München ist heute ganz anders. Deutschland ist heute ganz anders. Dieses Land hat sehr, sehr große und wichtige Schritte gemacht, um diese Vergangenheit aufzuarbeiten. Es hält die Erinnerung wach. In allen Bereichen, ob in den Schulen, den Medien, den Institutionen, geht es darum, nicht zu vergessen«, lobt Shalev Schlosser.
Am Tag nach seinem Antrittsbesuch in der bayerischen Staatskanzlei war er zur KZ-Gedenkstätte Dachau gegangen. Das fiel auf. »Seit Freitag ist der neue israelische Generalkonsul in München – am Mittwoch besuchte er die KZ-Gedenkstätte Dachau«, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Viele Familienmitglieder des in Siebenbürgen geborenen Diplomaten sind »in Auschwitz oder auf dem Weg dorthin gestorben«, sagt er. Nach Dachau zu gehen, war ihm ein persönliches Bedürfnis.
Gemeindeleben Als ein »zweites Zuhause« in München, neben dem Generalkonsulat und etwa eine U-Bahnhaltestelle davon entfernt, empfindet Tibor Shalev Schlosser »die Gemeinde«. »Ich wurde dort so herzlich empfangen, vor allem von der Präsidentin Frau Knobloch. Ich kannte ihren Namen, wusste von ihrer umfangreichen und hochgeschätzten Tätigkeit für das Judentum in Deutschland, in München. Jetzt konnte ich das Gemeindezentrum, die Synagoge, die dadurch entstanden sind, bewundern. Frau Knobloch ist in Israel sehr bekannt als eine starke und warme Unterstützerin des Landes.«
Die Nähe zur Gemeinde ist ihm wichtig, zur Jugend dort, deren Verbindung zu Israel, ihre jüdische Identität als deutsche Staatsbürger, »die durch die hebräische Sprache« gestärkt werden könne. Kein einziges Mal hat Shalev Schlosser auf die Uhr gesehen, obgleich die nächsten Termine drängen.
Und wie beurteilt er den Umgang der deutschen Presse mit Israel? »Na ja«, sagt er. »Die deutsche Presse ist frei, so wie die Presse in Israel frei ist.
Und das ist das Wichtigste.« Allerdings wünsche er sich, dass sich die Berichterstattung über Israel nicht immer nur mit dem Problem der Israelis mit den Palästinensern befasse. »Das schadet dem Image des Landes, und da stimmen die Proportionen auch nicht ganz.«
Israel sei eine offene Gesellschaft, eine Demokratie wie Deutschland mit gemeinsamen Werten – »auch darüber ließe sich einiges schreiben«. Tibor Schalev Schlosser wird sich wieder unter das bayerische Volk mischen. »Das sind freundliche Menschen«, sagt er. »Ich mag die Laune in München, die Atmosphäre und unsere Landschaft«. »Unsere«, hat er gesagt.