Die Wahl von Peter Feldmann (SPD) zum Frankfurter Oberbürgermeister ist für viele eine Überraschung. Weder im Arbeitskreis Jüdischer Sozialdemokraten noch in der jüdischen Gemeinschaft hatte man mit einem solch überwältigenden Sieg des eher unbekannten Mitarbeiters der Arbeiterwohlfahrt (AWO) gerechnet.
»Schon, dass er sich innerparteilich gegen Michael Paris durchgesetzt hat, war erstaunlich«, sagt Gregor Wettberg, der Feldmann aus dem Arbeitskreis kennt. Bei einem SPD-Mitgliederentscheid hatte sich Feldmann gegen den eher zum rechten Flügel zählenden Paris mit 53,76 Prozent durchgesetzt und wurde so zum Gegenkandidaten von Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU).
rot-grün Für den Publizisten Micha Brumlik bedeutet Feldmanns Wahl eine politische Aufwertung des Arbeitskreises. Brumlik sieht in der Entscheidung für den SPD-Kandidaten auch eine politische Wende grüner Wähler zurück zum alten rot-grünen Bündnisgedanken.
»Die Wahl Feldmanns ist eine tolle Sache«, sagt die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck. »Selbst die Beter des Egalitären Minjan haben diskutiert, ob Feldmann eine Chance haben könnte, sich durchzusetzen, und eher mit Nein geantwortet.« Erfreulich sei, dass der Wahlkampf ohne nennenswerte antisemitische Anfeindungen geführt wurde.
Genosse Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Arno Hamburger, ist ebenfalls verblüfft. Vor allem mit einem so überzeugenden Ergebnis hat er nicht gerechnet. Als SPD-Stadtrat verfolge er ohnehin, wer, wo und warum kandidiere und sich engagiere, deswegen habe er auch die Wahl in Frankfurt verfolgt.
Feldmann kenne er zwar nicht, sagt der 89-jährige Genosse, er sei sich aber sicher, dass der Frankfurter in erster Linie wegen seines Engagements gewählt wurde und nicht wegen seines Judentums. »Er ist ein guter Arbeiter, und seine Bürgernähe ist das Wichtigste für einen Politiker«, sagt Hamburger.
Sein Jüdischsein habe im Wahlkampf keine Rolle gespielt, sind sich viele einig. Für Feldmann ist das Judentum eine »wichtige Privatsache«. Was die Religion anbelangt, bezeichnet er sich als »eher liberal«.
Feldmann wurde 1958 in Helmstedt geboren, nach dem Abitur lebte er ein Jahr lang in Israel. Ab 1. Juli wird er die 680.000-Einwohnerstadt Frankfurt regieren und ist dann der zweite jüdische Oberbürgermeister einer bundesdeutschen Großstadt nach Herbert Weichmann (1965–1971) in Hamburg.
Die Umfrageergebnisse für Feldmann waren seit Jahresbeginn kontinuierlich nach oben geklettert. Von etwa 19 Prozent im Januar stieg die Zustimmung für ihn wenige Wochen später auf 22 Prozent. Mit 33 Prozent belegte er schließlich nach Boris Rhein bei der Wahl am 11. März den zweiten Platz. Die letztlich notwendig gewordene Stichwahl gewann er gegen den 40-jährigen hessischen Innenminister am vergangenen Sonntag deutlich und sensationell mit 57,4 Prozent.
»Er war enorm fleißig«, sagt Jürgen Richter, AWO-Chef in Frankfurt und aus gemeinsamen Zeiten bei den Falken mit Feldmann befreundet. Innerhalb weniger Wochen habe sein Parteifreund tausende Haushalte besucht. Er klingelte an Haustüren und stellte sich vor.
programm »Das ist wirklich ein Beispiel gelebter Bürgernähe«, sagt Miriam Noa, die im Herbst 2011 für das Berliner Abgeordnetenhaus kandidierte und Feldmann aus dem Arbeitskreis Jüdischer Sozialdemokraten kennt. Umweltschutzthemen seien für Feldmann nicht nur Phrasen, sondern Handlungsanweisungen, sagt Noa. So übernachtete er bei Demonstranten gegen den Fluglärm, um sich selbst einen Eindruck von der Beeinträchtigung verschaffen zu können. Dieses Engagement, ist Richter überzeugt, schlage sich wohl im Ergebnis nieder.
»Ich stehe für Inhalte«, lautet denn auch Feldmanns Devise, die offenbar bei den Frankfurtern ankam. »Ich verpflichte mich für den Kampf gegen Kinderarmut, gegen Wohnungsnotstand, gegen Ausgrenzung der Senioren, für Internationalität und Bildung.« Mit diesem Programm tritt er ein schweres Erbe an.
Am 1. Juli wird seine Amtsvorgängerin Petra Roth fast 17 Jahre die Großstadt am Main regiert haben. Sie hat sich dabei Anerkennung und Respekt der verschiedenen politischen Lager erworben. Die sozialen Nöte in der Stadt kennt Feldmann, der AWO-Mann, genau. Er will sich vor allem auch für Bürger mit Migrationshintergrund einsetzen.