Seit dem Anschlag auf die Erfurter Synagoge vor genau 20 Jahren sind nach Recherchen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) rund 1000 antisemitische Straftaten in Thüringen registriert worden.
Der Sender hat nach eigenen Angaben knapp 80 vierteljährliche Anfragen der Thüringer Linksfraktion an die Landesregierung ausgewertet. Demnach würden im Schnitt pro Jahr 50 antisemitische Straftaten in Thüringen verübt, also rund eine pro Woche.
Friedhofsschändungen Unter diesen Straftaten waren demnach Schändungen von Grabsteinen auf jüdischen Friedhöfen, Hakenkreuzschmierereien an jüdischen Gedenkorten oder Synagogen sowie Beschimpfungen und Übergriffe auf Jüdinnen und Juden in Thüringen.
In Erfurt wird an diesem Montag an den Brandanschlag auf die Synagoge vor 20 Jahren erinnert.
Der Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer ging im Gespräch mit MDR Thüringen zudem von einer Dunkelziffer aus: »Da gibt es schon Vorbehalte, ob die Behörden den Fällen auch wirklich nachgehen, sodass einige sagen, da lasse ich es lieber.«
Hemmschwelle Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, sagte: »Ich denke, es gibt nicht mehr Antisemitismus, sondern der Antisemitismus, der bisher nur in Köpfen war, wird jetzt freier ausgesprochen.«
In Erfurt wird am Montag an den Brandanschlag auf die Neue Synagoge vor 20 Jahren erinnert. Am 20. April 2000 hatten drei Neonazis zwei Molotowcocktails auf das Gebäude geworfen.
»Thüringen hat viel gegen Antisemitismus getan und dennoch nimmt er zu«, sagt Reinhard Schramm.
In seiner vorab veröffentlichten Rede zum digitalen Gedenken an den Brandanschlag sagt Schramm: »20 Jahre später stellen wir fest: Thüringen hat viel gegen Antisemitismus getan und viel erreicht. Dennoch hat der Antisemitismus zugenommen.«
Der rechte Antisemitismus gedeihe im weltweit erstarkenden Nationalismus, betont Schramm. »Aus Hass wird Mord. Der Versuch eines Massenmordes 2019 in der Synagoge von Halle zu Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, ist beängstigendes Zeugnis.«
Das Gebäude der Erfurter Synagoge war während des Brandanschlages bewohnt, im obersten Stockwerk befand sich die Wohnung des Vorsitzenden der Landesgemeinde. In der Gästewohnung war zudem ein Gastrabbiner untergebracht. Ein Molotowcocktail verfehlte nur um einen halben Meter die Scheibe des Wohnzimmers. epd/ja