Herr Sichrovsky, ab dem 16. August findet in Berlin die 6. Muslim Jewish Conference statt. Aber auf Ihrer Website erfährt man nichts über Ort, Programm oder Referenten. Warum nicht?
Wir halten uns da bedeckt, das ist unsere Sicherheitsprävention. Wer bei uns teilnehmen will, meldet sich an und kommt. Unsere Konferenz ist aber nicht öffentlich. Man kann dennoch schon etwas verraten: Die Eröffnungsveranstaltung wird im Auswärtigen Amt stattfinden, es wird einen Empfang im Berliner Senat mit dem Kulturstaatssekretär Tim Renner geben, und zwei hochrangige Vertreter des US State Department haben ihr Kommen zugesagt.
Wenn vom jüdisch-christlichen Dialog die Rede ist, geht es meist um religiöse Themen. Ist das bei Ihnen ähnlich?
Vor allem richten wir uns an junge Menschen, denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass dies Gruppen sind, die sonst nicht allzu sehr in Kontakt kommen. Das sind sowohl Säkulare als auch Religiöse.
Mit welchem Ziel?
Wir wollen, dass die jungen Juden und die jungen Muslime sich gegenseitig kennenlernen und den Kontakt zwischen den Staaten und Kulturen nicht den Herren überlassen, die die Welt regieren. Meist merken wir dann sehr schnell, dass fast alles, was wir über die andere Gruppe zu wissen glauben, sich als falsch erweist. Juden haben keine Ahnung vom Islam und den Muslimen. Muslime haben keine Ahnung vom Judentum und den Juden.
Aber wer kommt zu Ihrer Konferenz? Repräsentieren die muslimischen Teilnehmer denn ihre Community?
Wir haben in der Tat das Problem, dass uns viele das unterstellen, was man im Englischen »preaching to the choir« nennt: dass wir nur die überzeugen, die ohnehin schon überzeugt sind. Aber hier gilt ebenfalls: Gerade sehr belesene und kulturell interessierte Jugendliche machen bei uns die Erfahrung, dass sie kaum etwas über die Gegenseite wissen. Unsere Quellen sind Nachrichten, Internet und das, was in unserer Community über die jeweils andere erzählt wird. Über den anderen zu sprechen, ist nun einmal sehr viel einfacher als mit dem anderen.
Darf man Ihre Konferenz als reine Kennenlernveranstaltung bezeichnen?
Nein, auch wenn wir uns hier natürlich kennenlernen. Aber wir sind viele aktuelle und künftige Multiplikatoren, viele sind später im diplomatischen Dienst. Zu uns kommen Teilnehmer aus Libyen, aus Jordanien, aus einigen afrikanischen Ländern, aus Pakistan und und und. Wenn die in ihren Ländern erzählen, dass sie eine ganze Reihe junger jüdischer Menschen getroffen haben, mit denen sie gemeinsam Projekte anschieben wollen, dann kann das schon etwas bewirken. Das gilt übrigens auch umgekehrt: Viele jüdische Teilnehmer treffen bei uns zum ersten Mal junge Muslime aus dem Westjordanland.
Welche Folgen hat das für die Teilnehmer?
Es ist für einen jungen Pakistani aus Karatschi etwas anderes, sich auf den jüdisch-muslimischen Dialog einzulassen, als für mich in Wien. Unter Umständen geht der ein größeres Risiko ein, aber vielleicht bewirkt er auch mehr.
Wie reagieren Sie auf Judenhass unter Muslimen?
Es wäre naiv, zu behaupten, dass es keinen muslimischen Antisemitismus gibt. Aber mein Ansatz ist ein anderer: Ist es nicht ebenso naiv, es dabei belassen zu wollen? Ist es nicht besser, mit unserem Konzept des Informierens, des Interagierens und des Kooperierens zu versuchen, das Problem des Antisemitismus und im Übrigen auch das des antimuslimischen Rassismus auszuhebeln?
Von Muslimen ist oft zu hören, dass Islamophobie dem Antisemitismus sehr ähnlich sei. Wie wird das bei Ihnen diskutiert?
Wir haben die wissenschaftliche Debatte über Vergleichbarkeit, Ähnlichkeit, Differenz aufmerksam verfolgt. Aber ich würde eher von antimuslimischem Rassismus reden. Wenn einer jungen Muslimin das Kopftuch heruntergerissen wird oder einem Juden die Kippa, dann ist es den Angegriffenen doch herzlich egal, wie die Wissenschaft den Angriff definiert. Tatsache ist doch: Oft sind es die gleichen Täter, oft trifft es Minderheiten, die sich selbst nur schwer wehren können, und oft löst das Traumata aus, die nur schwer zu bekämpfen sind. Wir müssen gemeinsam Strategien entwickeln.
Bill Clinton schickt Ihnen stets Grußbotschaften. Wie haben Sie das geschafft?
Wir haben ihm eine E-Mail geschrieben. Als er geantwortet hat, waren wir auch sehr überrascht. Aber dem österreichischen Außenministerium sind wir ebenso sehr zu Dank verpflichtet: Dort hat man uns schon unterstützt, bevor die erste Konferenz stattgefunden hat. Wir waren doch nur ein paar junge Leute, und man konnte gar nicht wissen, was dabei herauskommt.
Mit dem Initiator der Muslim Jewish Conference sprach Martin Krauß.
Ilja Sichrovsky war 2009 Mitbegründer der Muslim Jewish Conference, zu der sich nun über 140 junge Menschen in Berlin treffen. Frühere Konferenzen fanden in Wien, Kiew oder Sarajewo statt.
www.mjconference.de